Zauberhaftes Camping - eine Trilogie in vier Teilen

1. Teil - Packen wir's ein

Puh stand ratlos vor seiner Wäschekommode im Zwergenschlafzimmer und kaute hingebungsvoll auf seinen Fingernägeln. "Wo sind sie nur wieder, wo hab ich sie denn bloß hingelegt?", überlegte er halblaut und ließ seine Blicke rastlos wandern. "Was suchst du denn?", flötete da eine froh gelaunte Vogelstimme und Zwitschi, der kleine blaue Vogel, ließ sich sanft in die obere offenstehende Schublade hinabgleiten. "Meine Badeshorts", brummelte der Zwerg gedankenverloren, "aber gib dir bitte keine Mühe, du findest sie sowieso nicht", fügte er schleunigst hinzu, um Zwitschi von einer mit Sicherheit sehr unkoordinierten Schrankdurchsuchung abzuhalten, nach deren Beendigung er nicht mal mehr seine Lieblingssocken finden würde. "Meinst du etwa die da?", fragte sein blau gefiederter Mitbewohner, dessen neugierig blitzende Äuglein zwischen all den ordentlich gefalteten Wäschestücken schnell fündig geworden waren. Und flugs zog sein ebenfalls stets neugieriger Schnabel unter einem rosa Kuschelhandtuch etwas kleines bunt Gemustertes hervor. "Ja das sind sie", jubelte der Zwerg begeistert und ergänzte enttäuscht, nachdem er sie auseinandergefaltet hatte, "nicht." Das wäre ja auch zu schön gewesen. "Wieso", fragte Zwitschi verdattert, "die hast du doch letztes Jahr getragen?" "Aber dieses Jahr kommt Luzie mit zum Zelten und da kann ich doch keine Badeshorts mit dem Motiv der kleinen Meerjungfrau auf der linken Pobacke tragen", jammerte der Zwerg. "Schau mal genau hin. Ihr schillernder Fischschwanz reicht sogar weit bis auf die rechte Pobacke hinüber, wenn dir das ein Trost sein sollte", korrigierte ihn Zwitschi postwendend. Puh nickte und zog hilflos die Schultern hoch. "Jedenfalls sind sie immer noch besser als die knallpinken Badeshorts mit dem silbernen Schriftzug: "Beachbaby" quer über das linke Bein", kicherte Zwitschi sichtlich amüsiert. Puh schnaubte wütend. Da hatte er sich einmal in Modefragen ganz auf seinen Koboldfreund Wuschel verlassen und war zum Gespött des ganzen Zauberwaldes geworden. "Wenn du mich fragst, hättest du damals lieber eine Badehose mit dem Aufdruck: "Bleierne Ente" kaufen sollen", feixte der Vogel und seine Federn sträubten sich vor vergnügen. "Ich frag dich aber nicht, ich verlass mich nur noch auf mein mir eigenes modisches Gespür", erklärte Puh bestimmt und hob ein paar Geschirrtücher hoch, um etwas darunter hervorziehen zu können. "Hier haben wir sie ja", strahlte er und faltete voller Stolz seinen Neuerwerb auseinander. Zwitschi gingen die Augen über bei dieser Farbenpracht. Auf türkisem Untergrund, der von apfelgrünen verschlungenen Algen verziert wurde, tummelten sich Unmengen von orangen und gelben Guppys zwischen rosa leuchtenden Muscheln. "Na was sagst du nun", fragte der Zwerg erwartungsvoll. "Ich muss noch mal weg", piepste Zwitschi hastig und sauste in den Zwergengarten hinaus. Er musste unbedingt noch vor Reiseantritt das Eulennest aufsuchen. Jetzt brauchte er Agathe. Denn eins war sicher: Ohne Kopfschmerztabletten würde er diesen Anblick nicht ertragen. Puh klopfte sich anerkennend auf beide Schultern. "Tja, lieber Zwitschi, nun bist du baff, so einen außergewöhnlich guten Geschmack hättest du mir wohl nicht zugetraut." Und dann verschloss er, zufrieden mit sich und der Welt, seinen Campingrucksack.

Als Zwitschi in den Garten hinausflog, störte er Willys Kreise. Der Kauz verlud gerade, so schien es zumindest, seinen gesamten Hausrat auf einen Handwagen. "Was machst du denn da, willst du etwa ausziehen?", erkundigte sich der kleine blaue Vogel und schaute gebannt zu, wie Willy sein mit hellblauen Schmetterlingen bedrucktes Kopfkissen verstaute. "Wie kommst du auf so eine wahnwitzige Idee?", war der Kauz verblüfft, "wie könnte ich mein paradiesisch schönes Kauzennest hier im Garten jemals aufgeben?" "Und was ist das hier alles für ein Kram?", wollte Zwitschi wissen und zerrte an Willys Trockensträußchen, wobei ihm auch eine große gelbe Duftkerze und ein Set Platzdeckchen mit verschiedenen Rosenmotiven begegneten. "Bring mir bloß keine Unordnung in meine sorgfältig zusammengestellte Campingausrüstung", ermahnte ihn Willy streng und Zwitschi ließ vor lauter Schreck die silbernen Serviettenringe fallen. "Das alles hier willst du mit zum Campen schleppen?", fragte der kleine blaue Vogel erstaunt. "Meinst du, ich verzichte auf jede Form von Wohnkomfort?", gab Willy zurück. "Aber das ist doch der ganze Sinn des Zeltens", sagte Zwitschi. Willy machte große Augen und schüttelte ungläubig den Kopf. "Wieso willst du denn eigentlich mit, wenn du dich noch nicht mal von deinem Trockensträußchen trennen kannst?", hakte sein blau gefiederter Freund nach. "Weil ich tief in meinem Inneren ein echter Abenteurer bin, ein Kauz, der die Natur in vollen Zügen genießen will - Moment mal, kann ich mir eigentlich die Waldzeitung zum Zeltplatz nachschicken lassen?" "Ich fürchte nein", lachte Zwitschi. "Aber meinen Bettvorleger, den muss ich unbedingt noch holen", meinte Willy und machte sich davon. "Ein echter Abenteurer, unser Willy", kicherte Zwitschi und wollte den Garten gerade in Richtung Eulennest verlassen - da kam, ein kesses grünes Hütchen auf dem Kopf, Paul Kauz angeflattert. "Bereit zum Zelten?", fragte er fröhlich und blinzelte Zwitschi verwegen zu. "Aber immer doch. Ich muss nur noch eine Kleinigkeit aus dem Eulennest besorgen", sagte der kleine blaue Vogel verschwörerisch. Nun war Pauls Neugier geweckt. Er quetschte Zwitschi aus, wie eine reife Zitrone und am Ende wusste er alles und Puhs Badeshorts leuchteten in den buntesten Farben vor seinem geistigen Auge auf. Diese Sache musste unbedingt im ganzen Zauberwald publik gemacht werden. Paul hatte noch eine halbe Stunde Zeit bis Reiseantritt. Das würde genügen.

Zwitschi war nun schon bis zum Gartentor gekommen, als sich schwer ächzend, die beiden Wichtelfräulein Luzie und Kitty näherten und seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zogen. Wie hatten die beiden sich heute wieder herausgeputzt. Kitty trug ein pastellgelbes T-Shirt mit einer großen Sonnenblume, dazu Bermudajeans und pastellgelbe Turnschuhe. In ihrem Haar steckten zwei silberne Spangen mit kleinen Sonnenblumen aus Stoff. Luzie sah auch wieder blendend aus. Zu ihren hellbraunen Bermudashorts trug sie ein rotes T-Shirt mit hellgelben Schmetterlingen, auf deren Flügeln bunte Strasssteinchen glitzerten. Ihre Füße steckten in zierlichen roten Riemchensandalen, auf denen ebenfalls kleine Strasselemente funkelten. Doch halt. Zwitschi vergaß den anerkennenden Pfiff, den er zur Begrüßung ausstoßen wollte, als er etwas entdeckte. Was schleppten die beiden denn da hinter sich her? Vorsichtig umkreiste er sie. Konnte das denn wirklich sein? Ja, da war er, ein riesiger Rollkoffer! Und das für drei Tage Camping? Das musste untersucht werden. Zwitschi landete aufgeregt mit den Flügeln schlagend auf dem überdimensionierten Gepäckstück. "Was bringst du mir Schönes?", fragte er mit treuherzigem Augenaufschlag. Man konnte ja nicht wissen. "Nichts", keuchte Luzie. "Und was ist in dem Koffer?", bohrte der kleine Vogel weiter. "Garderobe", antwortete Luzie knapp und stieß die Luft in kurzen kräftigen Zügen aus. "Und für wen soll die sein?", fragte Zwitschi. "Für sie", Kitty übernahm nun das Wort, damit Luzie in Ruhe verpusten konnte, "alles, was ich brauche, ist hier, in meinem kleinen Rucksack." Und damit ließ sie ihren Campingrucksack ins saftige Gras fallen und sich selbst gleich dazu. "Erstaunlich, so viel Garderobe für drei Tage", überlegte Zwitschi. "Drei Tage! Verflixt und zugewichtelt noch mal! Sind es wirklich drei Tage", war Luzie entsetzt. Zwitschi schmunzelte. Er wusste doch, dass dieses Übergepäck ein gewaltiges Missverständnis war. "Das bisschen Zeug soll für ganze drei Tage reichen", schrie Luzie laut auf. Da kam Puh aus dem Haus. "Willst du hier einziehen?", fragte er mit einem Blick auf Luzies Koffer. "Das ist Luzies Garderobe für die nächsten drei Tage", informierte ihn Zwitschi, "vorausgesetzt sie kommt damit hin." "Du glaubst wohl auch, ich falle auf alles herein", lachte Puh. Dabei musste er an Wuschel denken. Der kleine Kobold hatte sich letztes Jahr Zwitschis Rat zu Herzen genommen und sich doch tatsächlich mit wasserabweisender Farbe einen rot-weiß gestreiften Ring auf seinen Bauch gepinselt. "Das spart den Rettungsring", hatte Zwitschi erklärt. Und Puh hatte sich köstlich amüsiert. Doch was war das? Luzies Augen blickten ernst. "Stimmt das etwa wirklich, was der kleine blaue Großschnabel da erzählt?", erkundigte sich der Zwerg bei ihr. "Natürlich stimmt das, ich möchte schließlich passend für jede Gelegenheit gestylt sein", sagte sie fest. "Dann reichen ein Badeanzug, Turnschuhe, ein warmer Pullover, ein Trainingsanzug, eine lange Hose, ach was soll ich's dir groß erklären. Komm mit ins Haus und wir reduzieren den ganzen Krempel um 90 Prozent." Luzie trabte ihm ergeben hinterher. "Ach ja, Willy, wenn wir schon mal so schön dabei sind, dein Krempel wird um 100 Prozent reduziert oder du bleibst hier." "Jawohl Herr Oberfeldwebel! Zu Befehl!", Willy salutierte und lud den Handwagen wieder ab. Zwerge konnten manchmal ganz schön streng sein. Na ja, Luzie würde es auch nicht viel besser ergehen.

Im Zwergenhaus hatten sich Puh und Luzie unterdessen über den riesigen Koffer gebeugt und der Zwerg sortierte gnadenlos aus: "Was um alles in der Welt willst du mit denen da?", fragte Puh und hielt ein Paar goldene Pumps in die Höhe. "Zu meinem Abendkleid tragen, oder meinst du, dazu passen die Turnschuhe auch, die du mir gerade in den Rucksack gesteckt hast?" "Wozu brauchst du nun schon wieder ein Abendkleid?", Puh war fassungslos. "Ich will doch hübsch aussehen am Lagerfeuer", erklärte sie bestimmt. "Du siehst auch im Trainingsanzug hübsch aus", erwiderte Puh voller Überzeugung. "Trainingsanzug hier, Trainingsanzug da, der passt wohl immer und überall", tobte Luzie und ihre Zöpfe wirbelten wild herum, "am besten ich trage nur noch diesen dämlichen Trainingsanzug, wenn er dir so gut gefällt!" "Aber Luzie, wir gehen doch campen. Weißt du, das ist Natur pur. Da braucht man keine … was ist das nun schon wieder?" "Das ist meine Seidenbluse, ich dachte zur Abwechslung könnte ich sie mit der Trainingshose kombinieren, um wenigstens ein klitzekleines bisschen Eleganz in meinen neuen Modestil zu bringen." "Keine Seidenbluse! Sofort wieder raus damit aus dem Rucksack. Wir nehmen nur das Nötigste mit", kommandierte Puh. "Aha", sagte Luzie nun schnippisch, "zwei neue Unterhosen und wenn's hochkommt noch ein Paar frische Socken! Und natürlich unseren unvergleichlichen Trainingsanzug, den dürfen wir nicht vergessen. Ich brauche gar nicht erst in deinen Rucksack zu linsen, ich habe den Inhalt sowieso gerade aufgezählt. Du hast wirklich kein Gefühl für Mode!" "Ich werde dich vom Gegenteil überzeugen, liebe Luzie, warte nur, bis du mich in meinen neuen Badeshorts gesehen hast", sagte Puh. Luzie hüllte sich in Schweigen und zog die hübsche Stirn kraus. "so nun hätten wir's endlich", erklärte der Zwerg dann, "jetzt fehlt nur noch deine Kosmetik und was du sonst noch so brauchst. Aber bitte nur das Allernötigste." "Wie soll ich nur mit fünf T-Shirts auskommen", jammerte Luzie. "Fünf, sagtest du gerade fünf? Waren nicht drei abgemacht?", hakte Puh nach. "Fünf? Wie komm ich denn auf fünf? Hab ich wirklich fünf gesagt. Das war ein Versehen! Ich meinte natürlich drei", sagte sie hastig und hoffte das Puh nicht noch mal eine Rucksackkontrolle anordnete. Geschäftig machte sie sich nun daran, ihre Schönheitspflege einzupacken. "Ist der Rucksack klein, den du mir da geborgt hast", nörgelte Luzie, "wie soll ich da alles reinkriegen?" "Warte mal, ich könnte dir ja ein paar Tipps geben", bot sich Puh an. "Nein danke, es geht schon", sagte Luzie schnell und stopfte ein Schmuckkästchen an die Seite. Zum Glück wurde Puh vom Lärm der Hasenkinder und Eichhörnchen Hüpf in den Zwergengarten gelockt, bevor er Luzie doch noch ein paar unerbetene Ratschläge erteilen konnte.

"Der Wasserball bleibt aufgeblasen", sagte Schnuffi, "und du trägst ihn bis zum Zeltplatz." Und damit drückte er den großen roten Ball seinem Bruder Langöhrchen in die Pfoten. "Das kommt überhaupt nicht in die Tüte", protestierte der, "wenn ich ihn trage, zieh ich den Stöpsel." "Wage es nicht", schimpfte Schnuffi, "da ist meine ganze Luft von einer Viertelstunde Aufpusten drin!" Das konnte Langöhrchen nicht beeindrucken. Ungeachtet dessen begann er, sich am Stöpsel zu schaffen zu machen. "Halt", warf sich nun Spitznäschen, der dritte kleine Hase, dazwischen. "Was fällt dir denn ein", fuhr ihn Langöhrchen an und ließ den Wasserball fallen. "Mir ist wirklich gerade etwas eingefallen, nämlich, dass Schnuffi vor dem Aufpusten drei Brote mit ordentlich viel Knoblauchbutter gefuttert hat", sagte Spitznäschen und Langöhrchen wurde blass um die Nasenspitze. Schnuffi grinste sich eins. Das hatte er gut gemacht. Der Wasserball enthielt nun seine mit Knoblauch angereicherte Luft und keiner würde es wagen, sie abzulassen. Und mit dieser ganz besonderen Luft würde er jedes Spiel im Kristallsee gewinnen. Zur Not konnte Schnuffi den Ball ja auf Willys Handwagen verladen. "Was habt ihr denn hier für eine Riesentomate", lachte Puh und rannte auf die drei Hasenkinder zu. "Das ist unser neuer Wasserball", riefen sie. "Aber so wollen wir ihn doch nicht mitnehmen", schmunzelte der Zwerg, "wir lassen die Luft ab, dann können wir ihn viel besser transportieren." "Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun", sagte Schnuffi und sein Grinsen wurde immer breiter, "da ist nicht nur einfach Luft, sondern Luft mit Knoblaucharoma drin." "Und das soll mich stören", winkte Puh gelassen ab und zog den Stöpsel. Die Hasen warfen sich in Deckung, Willy und Zwitschi flohen auf den Lindenbaum, Kitty presste ihr Gesicht ins frische Gras, Luzie sprang ins Zwergenhaus zurück und Eichhörnchen Hüpf hielt sich die Nase zu. Puh stand wie ein Fels in der Brandung, den gefährlichen Winden trotzend, wacker ankämpfend gegen sämtliche gasförmige Widrigkeiten, die zischend den Wasserball der Hasenkinder verließen. "So, jetzt könnt ihr ihn in euren Rucksack stecken", sagte der Zwerg und reichte Schnuffi triumphierend den klein gefalteten Wasserball. "Ist er nicht ein Held unser Puh", flüsterte Willy respektvoll. "Ein echter Überlebenskünstler", bestätigte Zwitschi, "aber wir können oder besser gesagt müssen uns auch noch beweisen. Warte mal ab, bis du seine neuen Badeshorts siehst. Dann kommt unsere Zeit." "Noch schlimmer als die kleine Meerjungfrau?", erkundigte sich der Kauz und Zwitschi nickte.

"Alles versammelt?", fragte Puh und die Reisegruppe scharte sich um ihn. Mittlerweile waren auch noch die beiden weißen Tauben Guru und Guri eingetroffen. Nur einer fehlte noch - Paul Kauz. Wo steckte er nur? "Ich hab ihn heute schon mal kurz gesehen", berichtete Zwitschi, "dann ist er aber noch einmal …" Die nächsten Worte blieben ihm im Schnabel stecken. Puh würde schon noch rechtzeitig merken, dass Paul inzwischen für reichlich Publikum für die Wassershow des Zwergs gesorgt hatte. Puh sah verwirrt auf Zwitschi, der plötzlich stumm geworden war. "da kommt er ja", rief Willy begeistert und Puh vergaß wieder, dass er seinen blau gefiederten Mitbewohner zum Weitersprechen auffordern wollte. "Freunde es kann losgehen. Auf, auf zum Zeltplatz. Sicher haben Wuschel und seine Hausgespenster schon alles für uns vorbereitet", trieb der Zwerg die Reisegesellschaft nun zur Eile an und dann machten sie sich auf den Weg.

2. Teil - Aller Anfang ist schwer

Willy deutete noch einmal mit dem Flügel auf den inzwischen leer geräumten Handwagen und fragte scheinheilig: "Wollen wir den denn nicht mitnehmen? Er könnte noch von großem Nutzen für uns sein." "Der Handwagen bleibt hier", sagte Puh bestimmt. "Aber seht doch mal, was er uns für ungeheure Vorteile bringen könnte …", probierte es Willy erneut. "Uns?", lachte Eichhörnchen Hüpf, "du meinst dir. Wir ziehen das Gefährt und irgendwann wird es dann schwerer und schwerer, ein gedämpftes Schnarchen wird sich unter unsere munteren Plaudereien mischen, weil ein Camper namens Willy eine traumhafte Anreise auf vier Rädern dem Fliegen vorzieht." "Aber seht doch mal", versuchte es Willy noch einmal mit dem Mute der Verzweiflung. "Die Karre bleibt hier!", entschied Puh. "Verflixt und zugefedert noch mal", brummelte Willy hörbar unzufrieden. War er denn wirklich so leicht durchschaubar geworden? Wie schön wäre es gewesen, sich in den Handwagen zu schmuggeln und sich von Puh bis zum Zeltplatz chauffieren zu lassen. "Also wirklich kein Handwagen? Seid ihr da ganz sicher?" Einen allerletzten Anlauf mit dem unschuldigsten Augenaufschlag der Welt wollte der Kauz noch nehmen. Ein einstimmiges: "Ja sind wir!" nahm ihm jede Hoffnung auf eine unbeschwerte Anreise.

"So nun folgt mir mal bis zur alten Eiche auf der Waldwiese. Dort wird dann unser erster Halt sein", sagte Puh und begann ein flottes Liedchen zu pfeifen. Campingausflüge waren so herrlich entspannend. Der Zwerg freute sich darauf, mit den anderen am Lagerfeuer zu sitzen, im Kristallsee zu baden, eine Nachtwanderung zu machen … Da wurden seine glücklichen Gedanken jäh unterbrochen: "Ich habe einen Stein im Schuh", beklagte sich Luzie, "wartet mal ich muss ihn rausschütteln." "Hab ich dir nicht gesagt, dass es bestimmt besser wäre, wenn du deine Riemchensandalen auf unserer Waldwanderung gegen die blauen Halbschuhe tauschen würdest", merkte Puh leicht Kritisch an und sah zu Luzie zurück, die stehen geblieben war und ihren linken Schuh ausgezogen hatte. "Die blauen Halbschuhe wären auch nicht besser gewesen", lächelte sie zaghaft, "in denen lauf ich mir beständig Blasen." "Was hast du bloß für unpraktische Schuhe", seufzte Puh. "Mag sein, dass sie unpraktisch sind, aber wenigstens sehen sie gut aus", meinte das Wichtelfräulein und schlüpfte in ihre Sandalen zurück. "Wie wäre es, wenn du die Turnschuhe anziehst, die du in deinen Rucksack gepackt hast?", schlug der Zwerg vor. "Turnschuhe? Jetzt? Und was soll ich dann zu meinem schicken Trainingsanzug tragen, den du mir passend zu jeder Gelegenheit empfohlen hast?", fragte Luzie mit sauertöpfischer Miene. "Es sind ja deine Füße", meinte Puh ergeben, "wir können ja auch alle 50 Meter fünf Minuten auf dich warten. Vielleicht kommen wir ja an, wenn das Lagerfeuer aus ist." "Hab ich es euch nicht gesagt", meldete sich Willy nun zu Wort, "der Handwagen wäre gar nicht so übel gewesen. Ich wusste doch, dass er uns von großem Nutzen sein könnte." "Ach Willy", gluckste Zwitschi, "ich glaube nicht, dass neben dir noch ein Plätzchen für unsere Luzie frei gewesen wäre." "Kann es weitergehen?", fragte Kitty ihre Freundin. Das kleine Wichtelfräulein mit der großen Sonnenblume auf dem T-Shirt hopste ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. "Ja, ich bin so weit", sagte Luzie, die die Schnalle ihrer Sandale wieder geschlossen hatte.

Der Hauch des Sommers tänzelte lieblich durch die Wipfel der aromatisch duftenden Tannen, kitzelte die hellgrünen zarten Blättchen der kräftigen Birken und spielte mit den vielfältigen Gräsern, die lustig hin und her wogten. Zwischen dem saftigen Grün lugten lila Glockenblumen, gelbe Ringelblumen und orange Studentenblumen hervor. Ein prächtiger Anblick, wie man ihn nicht schöner auf dem herrlichsten Sommergemälde finden kann. Die Waldbewohner genossen ihn in vollen Zügen. "Können wir hier eine längere Pause einlegen?", fragten die Hasenkinder und ließen sich neben die große alte Eiche am Rande der Waldwiese fallen. "Wieso eigentlich nicht", lächelte Puh versonnen, der überhaupt nichts dagegen hatte, diesen Anblick noch ein wenig länger in sich aufzunehmen. "Mir passt die Pause auch ganz gut", sagte Luzie und werkelte an der Schnalle ihrer rechten Sandale herum. "Ich sag nur Turnschuhe", seufzte Puh. "Und ich sage Nein", erwiderte Luzie. "Und Willy sagt gar nichts mehr", lachte Zwitschi, der bemerkt hatte, dass seinem Kauzenfreund gleich nach der Landung die Augen zugefallen waren. "Würde ich so nicht sagen", kicherte Hüpf und rollte seinen puscheligen Eichhörnchenschwanz zusammen, "seid mal alle ganz leise und hört genau hin." Nun unterbrachen sogar die drei Hasenkinder ihre muntere Diskussion darüber, wie hoch die Sonnenblumen in diesem Jahr noch wachsen würden, und stellten ihre Ohren auf, um besser lauschen zu können. Das gab es doch nicht! Zwischen sanften Schnarchlauten, die Willys Schnabel in regelmäßigen Abständen verließen, konnte man ganz eindeutig: "Heute wollen wir das Ränzlein schnüren" heraushören. Sofort stimmten die beiden Tauben Guru und Guri in Willys Schlafgesang mit ein und nach und nach auch die anderen Reisenden. Willy ließ sich davon nicht stören. "Wie macht der das bloß?", fragte Guri interessiert, als das Lied zu Ende war, und schaute Puh erwartungsvoll an. "Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht", schmunzelte der Zwerg, "seit Jahr und Tag versuche ich dieses Rätsel zu lösen. Es ist einfach vergebliche Liebesmüh." Guri verdrehte die Augen, sie war sichtlich unzufrieden mit dieser Antwort. "Sieh es doch mal so, liebe Guri, er macht es einfach, weil er es kann", piepste Zwitschi. "Ja schon, aber ich würde das auch schrecklich gern mal können", gurrte die Taube. "Du kannst doch schon ganz gut schnarchen", warf Guru, der kleine Täuberich ein und kassierte dafür einen wütenden Seitenblick.

"Oh schaut mal, schaut mal!", rief Schnuffi plötzlich voller Begeisterung aus. "Ich weiß, was du meinst, über uns gehen heute außerordentlich prächtige Schönwetterwölkchen spazieren. Die Große weiße da hinten zum Beispiel sieht aus wie ein herrlich weiches Wattebett, so richtig zum Hineinkuscheln", erwiderte sein Bruder Langöhrchen entzückt und sah träumerisch in den malerisch blauen Sommerhimmel hinauf. "Ach quatsch Schönwetterwölkchen!", unterbrach ihn Schnuffi heftig, "seht ihr denn nicht die großen reifen Brombeeren? Die schreien doch förmlich: 'Iss mich!'." Und damit zeigte er aufgeregt mit den Pfötchen fuchtelnd auf die großen Brombeersträucher, die voll köstlicher schwarzer Beeren hingen. Die Wichtelfräulein sprangen sofort auf, Luzie rannte sogar mit nur einer Sandale an den Füßen los. Hüpf jagte mit kleinen verspielten Zickzacksprüngen hinter den Hasen her. Die beiden Tauben aber breiteten ihre Flügel aus und schwebten voller Eleganz zu den Sträuchern hinüber. Brombeeren hin oder her, die Contenance sollte trotzdem gewahrt werden, fanden sie. Paul Kauz hatte sich ebenfalls in Richtung der saftigen kleinen Köstlichkeiten aufgemacht, allerdings mit wilden Flügelschlägen und freudigen "Uhu"-Rufen. Und Zwitschi? Der überholte sie alle. Wie eine kleine blaue Rakete zischte er an ihnen vorbei. Wenn es um sein leibliches Wohl ging, war ihm keine Anstrengung zu groß. Gemütlich trottete Puh hinter ihnen allen her. Es waren weit mehr Beeren an den Sträuchern, als sie verputzen konnten. Nur keine Eile dachte der Zwerg. Aber es gab noch einen unter ihnen, der hatte es noch weniger eilig als Puh. Willy! Der Kauz hatte mit keiner einzigen Feder gezuckt und schlief wie ein Stein. Von Brombeeren träumte er bestenfalls.

"Satt", erklärte Schnuffi nach einer reichlichen Ernte. "War ja nicht zu überhören", kritisierte ihn sein Bruder Spitznäschen. "Ich war das aber nicht", verteidigte sich Schnuffi, der sich keiner Schuld bewusst war. "Seht mich nicht so an", wehrte Langöhrchen ab, "ich hab auch nicht gerülpst." "Schieben wir es doch unserem Willy in die Schuhe", schlug Schnuffi vor. "Gute Idee", meinte Langöhrchen nachdenklich, "Wer im Schlaf singen kann, der kann vielleicht auch rülpsen …" "Häh, hu, was erzählt ihr da für grausige Geschichten", schreckte Willy hoch, "ich rülpse nie im Schlaf." "Wie macht er das nun schon wieder?", Guri verstand die Welt nicht mehr, "er hat so tief und fest geschlafen und trotzdem hat er mitgekriegt, dass wir ihn den Rülpser unterjubeln wollten." "Das bleibt mein Geheimnis", erklärte Willy und strahlte übers ganze Gesicht. Er liebte es, ein Rätsel zu sein.

"Ach Paul, spiel uns eins auf deiner Mundharmonika, bitte, bitte", bettelte Hüpf, "das verkürzt uns den Rest des Weges." "Wer hat sie denn eigentlich eingesteckt?", fragte Paul Kauz. "Ich", meldete sich Luzie und kramte in ihrem Rucksack herum. Ein Kosmetikköfferchen, ein Spiegel, eine Haarbürste, Haarspangen, ein Lippenstift, ein Fläschchen Nagellack kamen zum Vorschein. "Du hast doch gesagt, du packst nur das Nötigste von deinem Beauty-Krimskrams ein", wunderte sich Puh. "Hab ich doch, ich habe mich wirklich ganz schön eingeschränkt", gab sie zurück und nachdem noch eine kleinere Schatulle mit Schmuck und ein Maniküreset den Rucksack verlassen hatten, fand Luzie endlich Pauls Mundharmonika. Kitty half ihrer Freundin flink beim Einpacken und dann wurde das zweite Teilstück der Wegstrecke in Angriff genommen.

Paul Kauz nahm die Mundharmonika in den Schnabel und begann zu spielen. Willy hatte sich ein kleines Glöckchen geschnappt, das er im Rhythmus von Pauls Musik im Schnabel schwang. Kitty pfiff auf einem Grashalm und die Hasenkinder wackelten im Takt mit den Ohren. Hüpf rannte schon bald übermütig an einer der dicht beieinanderstehenden Buchen hinauf und flog dann vor Freude laut aufjauchzend von Wipfel zu Wipfel. Puh sah dem munteren Treiben lächelnd zu. Da krabbelte etwas auf seinem Handrücken herum - ein Marienkäfer mit - Puh zählte: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Punkten. "He, hört mal kurz zu, ein vorwitziger Siebenpunkt hat sich auf meine Hand gesetzt. Das bringt Glück", jubelte der Zwerg und wollte gerade zu einem verwegenem Sprung über die nächste Baumwurzel ansetzen. Da lag er auch schon der Länge nach auf dem Waldboden. Aus dem lauten Gelächter der anderen konnte er eine Stimme ganz deutlich heraushören - die von Zwitschi, seinem frechen blau gefiederten Mitbewohner: "He Puh, ich hoffe aber sehr, dass deine Glückssträhne noch lange andauert." Kitty, die ihm am nächsten stand, half dem Zwerg wieder auf die Beine: "Sieh mal, hier vorn fließt gleich frisches Wasser, da kannst du dir die Hände waschen", sagte sie tröstend. "Das nun wiederum spricht eindeutig für meine Glückssträhne", freute sich Puh, "na Zwitschi, was sagst du jetzt?" Der kleine Vogel hüllte sich in Schweigen und folgte den anderen zur Quelle. Nachdem Luzie einen großen Stein aus ihrem linken Schuh geschüttelt und Pauls Mundharmonika und Willys Glöckchen, die die beiden beim Lachen verloren hatten, in ihrem Rucksack verstaut hatte, kam auch sie hinter ihnen her. Puh hatte sich unterdessen gesäubert und einen großen Schluck getrunken. Und dabei hatte er sich verschluckt. Hustend und prustend beugte er sich vor und zurück, bis ihm die Hasenkinder abwechselnd auf den Rücken klopften und der Hustenreiz verging. Zeit für Zwitschis nächsten Auftritt: "Na du Glückspilz", zwitscherte er schadenfroh. "Lass mich bloß zufrieden", knurrte der Zwerg und ließ seine Hand auf einen Baumstumpf sausen. "Verflixt und zugewichtelt noch mal", war das Nächste, was er sagte, "ich hab mir einen Splitter eingezogen." "Das haben wir gleich", meinte Luzie, "ein Glück, dass ich das Maniküreset eingepackt habe." "Ja, ja", brummelte der Zwerg. Geschickt zog Luzie den Holzsplitter mit der Pinzette heraus und küsste Puh die Hand an der Stelle, wo sie ihn entfernt hatte. "Vielen Dank, Schwester Luzie", sagte der Zwerg und strahlte übers ganze Gesicht, "ich wusste doch, dass ich eine Glückssträhne habe." "Hat jemand Lust auf Kekse?", fragte Kitty munter in die Runde. "Schon, aber wo sollen wir die denn hernehmen?", erwiderte Puh. "Aus meinem Rucksack", lachte das Wichtelfräulein und holte eine Dose mit goldbraun gebackenen Butterkeksen in Blütenform hervor. Den Kelch der Butterkeksblüten bildete ein Tropfen Erdbeermarmelade. Ein lieblicher Duft strömte von den Keksen zu den Reisenden hinüber und sie machten sich mit großem Appetit darüber her. Ein Schluck klares Quellwasser, das lustig über die weißen Kiesel sprang, rundete die Mahlzeit ab und nun ging es schnurstracks weiter in Richtung Zeltplatz, der bald danach erreicht war.

"Was ist das denn?", Kitty schlug die Hände vors Gesicht, "wolltet ihr nicht die Zelte aufbauen, lieber Wuschel?" Ein einziges Zelt stand einsam inmitten von einem Durcheinander aus Zeltstangen, Zeltplanen und Heringen. "Wollten wir ja auch, aber wir sind erst jetzt, kurz bevor ihr eingetroffen seid, dahintergekommen, wie so ein Zeltaufbau funktionieren könnte", verteidigte sich der Kobold. "Also gut, dann macht mal weiter mit dem, was ihr gerade macht und lasst euch von uns nicht stören. Komm mit Luzie, wir nehmen das grüne Zelt", entschied Kitty und zog ihre Freundin zum einzig aufgebauten Exemplar hin. "Nicht anfassen, wir haben noch nicht getestet, ob es auch stehen bleibt. Wir waren soeben dabei Hölzchen zu ziehen, weil sich keiner von uns freiwillig dazu bereiterklären wollte, die Standfestigkeit der Konstruktion zu überprüfen!“, schrie Wuschel ihnen nach. Doch Kitty hatte schon den Reißverschluss hochgezogen und war hineingeschlüpft. Ein paar Schritte, sie stieß gegen eine der drei Zeltstangen und schon stürzte das Zelt über ihr zusammen. "Wie konnte das bloß passieren", keuchte sie, als sie sich unter der Zeltplane hervorgekämpft hatte. "Ich hab doch gesagt, wir sind dahintergekommen, wie so ein Zeltaufbau funktionieren könnte, nicht wie er funktioniert", versuchte sich Wuschel zu rechtfertigen. "Gegen dieses Zelt wird ja jedes Kartenhaus zu einer wahren Festung", meinte Kitty und besah sich die Sache genau. "Wenn ich mich nicht völlig irre, habt ihr die drei Zeltstangen einfach nur lose aneinandergestellt, anstatt sie miteinander zu verbinden", schlussfolgerte sie nach ein paar Minuten. "Ach deshalb sind die lustigen bunten Schlaufen an den Stangen dran", Gruseli fiel es wie Schuppen von den Augen. "Ich habe es doch gleich gewusst, die Schlaufen wurden dort nicht umsonst angebracht", warf nun Wuschel ein und baute sich herausfordernd vor seinen spukenden Hausgenossen auf, die Hände in die Hüften gestemmt. "Wer von uns hat denn gesagt, dass man die komischen bunten Dinger für eine fachgerechte Montage ganz bestimmt nicht braucht und deshalb ruhig an den Zeltstangen herumbaumeln lassen kann", zischte Spuki und Wuschel wurde rot, so peinlich war ihm die vertrackte Situation.

Kitty ergriff nun die Initiative. Es wurde zeit, dass in diese Männerwirtschaft endlich mal eine weibliche Hand etwas Ordnung brachte. Flugs Schnappte sie sich die drei Zeltstangen. Im Nu hatte sie sie miteinander verknüpft. Dann zog sie die Zeltplane über das Gestell und befestigte sie gut. Als Nächstes spannte sie das Zelt und zu guter Letzt steckte sie die Heringe durch die dafür vorgesehenen Metallringe und klopfte sie im Boden fest. Nach einer Viertelstunde stand ein Zelt - ganz in Rosa, wie sie es mochte. "Seht her Jungs, so packt man das an", sagte sie zufrieden lächelnd. Luzie hatte ihr interessiert zugesehen und genau so flugs wie sie ein lila Zelt aufgebaut: "Das ist für euch Jungs", lachte sie, "Ohne meine Hilfe müsstet ihr wahrscheinlich im Freien übernachten." Das wollte sich Puh nicht bieten lassen und Wuschel schon gar nicht. Die beiden Wichtelfräulein hatten ihren Ehrgeiz angestachelt und der Stachel saß tief. Wie war das noch mal? Die Zeltstangen durch die Schlaufen oder war es doch eher umgekehrt? Ziemlich planlos, aber immerhin mit unbändigem Enthusiasmus machten sich die beiden Outdoor-Wichtel über das gelbe Zelt her. Sollten doch die Hasenkinder in diesem lila Ding da schlafen. Echte Kerle wie sie würden doch wohl ihr eigenes Nachtlager aufschlagen können. Die Zeit verstrich. Luzie und Kitty hatten unterdessen das grüne Zelt für die beiden Gespenster aufgerichtet und beäugten belustigt, wie Wuschel verzweifelt mit den Schnüren des ominösen gelben Zeltes rang. "Ich will auch im Zelt schlafen", meldete sich nun Willy Kauz zu Wort. "Was bist denn du für ein Naturfreund?", lachte Zwitschi, "schläfst im Zelt, wo hier doch jede Menge Bäume stehen." "Bäume?", Willy war erschüttert, "wie unzivilisiert ist das denn?" Kitty hatte es gehört und es gab da ja noch ein oranges Zelt, das eigentlich keiner brauchte, denn Eichhörnchen Hüpf wollte nur zu gern bei den Hasen schlafen. Schließlich hatten sie ein Kartenspiel dabei und es ging doch nichts über ein paar Runden Mau-Mau zu viert beim Schein einer Taschenlampe. Und so bauten die beiden Wichtelfräulein auch noch dieses Zelt auf. "Sagt mal Jungs", kicherte Luzie, "während wir vier Zelte aufgestellt haben, kämpft ihr immer noch mit dem einen. Wie kommt das denn?" "Na ja so ein Zelt ist rein bautechnisch betrachtet eine äußerst komplizierte Sache, der Aufbau eines solchen Objektes erfordert detaillierte Planung, einen wachen Verstand und ein großes Maß an Präzision. Jeder Schritt will genau überlegt sein", erklärte Wuschel. "Und außerdem scheint das gelbe Zelt hier besonders knifflig in seiner Konstruktion zu sein", mutmaßte Puh, "da darf man nichts überstürzen." Luzie hörte gar nicht richtig hin, während die beiden ihr noch erklärten, wie technisch anspruchsvoll eine solche Aufgabe ist, klopfte sie den letzten Hering in den Erdboden. "So fertig", grinste sie. Mit vor Staunen aufgerissenen Mündern standen Puh und Wuschel neben ihr und dem aufgerichteten Zelt. Na ja, vielleicht konnten sie sich ja noch beweisen. Es galt ja noch das Lagerfeuer und den Propangaskocher in Gang zu bringen.

Als die Abenddämmerung über dem Zeltplatz Einzug hielt, saßen alle Camper zufrieden um ein gemütliches Lagerfeuer. Die Holzscheite knisterten leise unter den züngelnden Flammen und kleine Funken stoben lustig auseinander und tanzten einen flackernden Reigen. "Na wie haben wir das hingekriegt?", fragte Puh und sah Luzie erwartungsvoll an. "Ihr? Haben nicht die Hasen das Feuer angezündet?", fragte sie zurück. "Im Prinzip schon, aber unter unserer Aufsicht", erklärte Wuschel stolz. "Aber gekocht habt ihr wirklich gut", lobte Kitty die beiden Naturwichtel und gabelte ein paar lange Spaghetti aus ihrem Schälchen. "Das würde ich so nicht sagen", meldete sich Gruseli zu Wort, "die Soße ist aus der Dose." "Bist du ruhig jetzt", puffte ihn Spuki in die Seite, "wir haben Wuschel doch versprochen, dass wir das nicht verraten." "Oje", seufzte Gruseli, "das war's wohl mit unseren neuen Kuscheldecken in orange." Wuschel nickte. "Aber köstlich sind die Spaghetti allemal", lobte Zwitschi und schwang eine der langen Nudeln in seinem Schnabel hin und her. "Ich wusste es", beklagte sich Willy Kauz, "ich hätte wenigstens die Servietten mitnehmen sollen." Und damit sah er missmutig an seinem von der Tomatensoße rot gesprenkelten Gefieder herunter. Auch an einem vorwurfsvollen Blick in Puhs Richtung ließ er es nicht fehlen. "Schon vergessen Willy", fragte Paul, "wir sind doch auf dem Hinweg an einer Quelle vorbeigekommen. Also bloß keine Aufregung. Wir suchen sie nach dem Essen noch einmal auf und dort können wir unsere Federn putzen." Willy war einverstanden und zog einen langen Käsefaden in seinen aufgesperrten Schnabel. "Köstlich, einfach köstlich", schmatzte er.

"Du Kitty", flüsterte Luzie am späten Abend, "Puh hat mir noch gar nicht gesagt, dass ich gut aussehe. Dabei hab ich mich doch extra für ihn in Schale geschmissen." Kitty schaute sie verwirrt an. In Schale? Luzie trug doch nur ihren hellgelben Trainingsanzug mit der großen dunkelblauen Hortensienblüte auf der Brust. Fürs Camping war sie perfekt angezogen, aber von in Schale geschmissen, konnte man wirklich nicht sprechen. Paul hatte Luzies Worte erlauscht und flüsterte sie Willy ins Kauzenohr. Der weihte Zwitschi ein und der wiederum Puh. Der Zwerg wartete eine Weile, sah versonnen in die Glut, schenkte Luzie dann ein Lächeln und sagte: "Luzie, weißt du eigentlich, wie toll dein Trainingsanzug aussieht. Kein Abendkleid könnte ihn in seiner Eleganz toppen." Nun sah Kitty noch verwirrter drein und Luzie schmunzelte: "Was für eine Mode-Ikone mein lieber Puh doch ist." "Verflixt und zugefedert noch mal", unterbrach Zwitschi die Kleiderdebatte, er hatte ganz andere Sorgen: "Könnte mal einer von euch die Mücken hier vertreiben?" "Was schaut ihr alle auf mich", beschwerte sich Paul Kauz, "ich bin satt von den vielen Spaghetti und brauche keinen Mückennachschlag." "Ich schon gar nicht", stimmte Willy mit ein, "außerdem bin ich überhaupt nicht gewillt etwas auszubügeln, was Puh zerknittert hat." "Bitte was?", der Zwerg verstand seinen Kauzenfreund nicht. "Wer hat mir denn verboten, die große gelbe Duftkerze mitzunehmen? Ihr Zitrusduft hätte die Biester sicher ferngehalten." Kitty lachte lauthals los und Wuschel fiel mit ein. Dann: "Verflixt und zugewichtelt noch mal, jetzt hab ich so ein Biest verschluckt", schrien die beiden fast gleichzeitig. "Dann lacht mal hübsch weiter", feixte Zwitschi in sich rein, "und unser Mückenproblem erledigt sich von selbst." "Wir könnten es doch ebenso gut mit Singen probieren", schlug Spuki vor, "vielleicht vertreiben wir sie ja damit." "Wenn ich an Wuschel denke, wie der singt, wenn er in der Badewanne sitzt, hege ich keinerlei Zweifel", sagte Gruseli. "Da habt ihr Puh noch nicht gehört", meldete sich Zwitschi zu Wort und Willy nickte heftig. "Das wird sich jetzt ja ändern", meinte Gruseli und holte die Gitarren aus dem Zelt. Und so saßen sie bis spät in die Nacht rund um das Feuer und sangen Lieder. Paul Kauz gab ein paar Solostücke auf seiner Mundharmonika zum Besten und die Hasenkinder vergnügten sich beim Limbotanz. "Ach lasst mich auch mal probieren", meinte Puh, der ihnen voller Aufregung zugesehen hatte. So ein lockerer Limboschwung unter dem Ast durch, der den Hasen als Limbostange diente, würde Luzie bestimmt beeindrucken. "Denk an deine Glückssträhne", warnte ihn Zwitschi noch, aber der Zwerg befand sich schon in voller Fahrt und war nicht mehr aufzuhalten. Er beugte den Rücken weit zurück, wiegte sich aufreizend lässig in den Hüften, federte geschmeidig in den Knien und sein Koboldfreund Wuschel feuerte ihn an: "Gib alles Puh, zeig, was du drauf hast." Und tatsächlich, schon fast war er unter der von Schnuffi und Langöhrchen gehaltenen Stange hindurchgetänzelt, da: "Aua, mein Rücken!" Und mit diesem Aufschrei ließ er sich ins Gras fallen. Die Sterne über ihm schienen sich köstlich zu amüsieren. Sie strahlten nämlich noch heller als sonst. Und Puh strahlte gequält zurück.

3. Teil - Später wird’s auch nicht wirklich leichter

Die Walduhr schlug von fern zwei Stunden nach Mitternacht. Die Camper waren inzwischen längst in ihren Zelten verschwunden. Zwitschi, Paul Kauz und die beiden Tauben Guri und Guru hatten sich auf einer großen Linde niedergelassen und träumten süß, die Köpfchen unter die Flügel gesteckt. Es war herrlich still. Nur im gelben Zelt, wo Puh und Wuschel nächtigten, wurden größere Holzvorräte für den kommenden Winter zersägt, vielleicht reichten sie sogar für die nächsten beiden Winter. Als der silberne Mond auf den Zeltplatz hinabsah und alles so friedlich fand, fielen ihm auch die Augen zu und so bemerkte er nicht, dass sich dicke Regenwolken vor ihm aufbauten und ihm den Platz am Nachthimmel streitig machten. Die Schlafenden bemerkten es zunächst auch nicht. Doch dann sprangen die ersten kleinen Regentropfen aus den dicken Wolken heraus und purzelten kopfüber in die Tiefe. Im Fallen führten sie die wildesten Tänze auf, bis sie auf einem Blättchen, einem Grashalm, einem Stein und die mutigsten von ihnen sogar auf einem Zwitschi Platz nahmen. "Verflixt und zugefedert noch mal", schreckte der kleine blaue Vogel hoch, "wer wagt es, mich aus meinen schokoladigen Träumen zu holen und mich davon abzuhalten, Puh auch noch die letzte Trüffelpraline wegzufressen?" Ein dicker Regentropfen kullerte auf seinem Schnabel herum und ein paar kleinere setzten sich in sein weiches Gefieder. "Ach ihr frechen nassen Lümmel seid das", schimpfte er mit den Regentropfen und schüttelte sich. Vielleicht war das Übernachten im Freien doch nicht ganz das Richtige für ihn. Offenbar war Zwitschi zu sehr an sein Schlafkörbchen im Zwergenhaus gewöhnt und nicht in der Lage den Naturgewalten zu trotzen. Also flog er zu den Zelten hinunter. Vielleicht konnte er ja dort einen Unterschlupf für den Rest der Nacht finden. Wie wäre es bei Puh und Wuschel? Nein, unmöglich. Zwitschi beantwortete sich die Frage selbst. Die beiden Wichtel schnarchten ja so laut, dass die gelbe Zeltplane bebte. Vielleicht sollte er es einmal bei Luzie und Kitty im rosa Zelt probieren? Auf keinen Fall. Da war Zwitschi ganz Kavalier. Es gehörte sich nicht die beiden Wichtelfräulein so spät in der Nacht aus ihren Schlafsäcken zu holen. Er könnte ja mal bei den Hasenkindern nachfragen. Aber da war doch was? Zwitschi hielt inne. Ach ja Klar, bei den drei Langohren übernachtete Eichhörnchen Hüpf. Zu fünft in diesem Zelt? Da konnte Zwitschi ja gleich in einer Sardinenbüchse schlafen. Jetzt blieben noch die Gespenster Spuki und Gruseli. Das war auch keine Alternative, womöglich spukten die beiden die ganze Zeit um ihn herum. Nun, es gab da ja noch das orange Zelt, wo sein Kauzenfreund Willy schlief. Vielleicht sollte er ihn um Asyl bitten. Bei diesem Gedanken sträubten sich Zwitschi alle Federn. Hatte er Willy nicht ausgelacht, weil dieser in einem Zelt schlafen wollte, anstatt in der freien Natur. Gewiss Willy würde ihn hereinlassen, aber der Spott seines Kauzenfreundes war ihm gewiss. Dann doch lieber ertrinken, dachte Zwitschi und flog in die Äste der Linde zurück. Hatte der Regen nicht schon ein bisschen nachgelassen? Mit Sicherheit! Es war nur ein kurzer Schauer gewesen. Zwitschi hatte sich ganz umsonst aufgeregt. Also, Augen zu und weiterschlafen. Just in diesem Augenblick öffnete der Himmel seine Schleusen. Es begann wie aus Eimern zu schütten und nun wurden auch die beiden Tauben und Paul wach. "Ich liebe das Leben in der rauen Natur", meinte Paul grinsend, "aber nicht, wenn es regnet." "Versuchen wir Willy wach zu kriegen, bei ihm im Zelt ist Platz für uns alle", schlug Guru vor und Guri nickte eifrig. "Gute Idee", meinte Paul Kauz und im Anbetracht der Regenmengen, die sich über ihn ergossen, vergaß auch Zwitschi seinen Stolz. Und so stürmten sie gemeinsam zu Willys Zelt. Nachdem sie kurze Zeit vergeblich versucht hatten, Willy mit lautem Rufen und Schnabelklopfen wachzukriegen, zog Paul einfach den Reißverschluss auf. Blindlings versuchte er sich ins Trockene zu retten und lag schon nach dem ersten Schritt der Länge nach auf der Wiese vor dem Zelt. "Paul, lieg nicht so faul hier rum", schimpfte Guri, "mach dich rein ins Zelt, damit wir auch bald im Trockenen sind." "Hab's ja versucht", gab Paul zurück und erhob sich, wobei er seine nassen Federn schüttelte, "aber Willy hat da irgendwas vor den Eingang gelegt." "Das ist nicht irgendwas", erklärte Zwitschi, der die Lage inzwischen gepeilt hatte, "das ist Willy selber." Also flogen die vier gefiederten Eindringlinge kurzerhand über den schlafenden Kauz hinweg und verteilten sich im Zelt. "Wir müssen den Reißverschluss zumachen", sagte Paul und zog mit dem Schnabel daran. Als der Reißverschluss auf Willys Höhe unten war, ging es nicht mehr weiter. "Wir müssen Willy wachrütteln", schlug Guri vor, "wenn wir das Zelt nicht zuziehen, wird er noch ganz nass. Und wir kriegen es nicht zu, wenn er den Eingang blockiert." Sie zupften und zerrten an Willy herum - ohne Erfolg. Zwitschi sagte: "Wir müssen noch einmal vor das Zelt, dann können wir ihn ein Stückchen weiter hineinschieben." Und so ging es für die Vier wieder hinaus in den Regen. Nach einigen Mühen hatten sie Willy vom Eingang ein bisschen weggeschoben und waren zurück ins Zelt geflogen. Dann konnten sie endlich den Reißverschluss herunterziehen. Der Kauz bekam von all dem nichts mit und dass seine Federn von dem herabprasselnden Regen durchnässt worden waren, schien ihn auch nicht zu stören.

Die Morgensonne beschien den Zeltplatz und schleckte die glitzernden Regentropfen von den Gräsern. Die Hasenkinder und Hüpf waren früh aufgestanden und machten vor ihrem Zelt gemeinsam Frühsport. Die Gespenster Spuki und Gruseli hatten den Frühstückstisch einladend gedeckt, auf dessen Mitte eine riesige Schüssel Obstsalat und ein Korb mit frisch gebackenem Dinkelbrot standen. Die Gläser waren mit frisch gepresstem Orangensaft gefüllt und an jedem Teller stand ein Schälchen Vanillejoghurt. Langsam zog sich der Reißverschluss des rosa Zeltes auf und gähnend wühlten sich die beiden Wichtelfräulein daraus hervor. "Hat es heute Nacht etwa geregnet?", fragte Kitty und sah ungläubig auf das noch immer feuchte Gras. "Scheint so", sagte Luzie und streckte sich genüsslich, bis sie ein Wadenkrampf ereilte. "Guten Morgen", begrüßten die Hasenkinder die beiden Wichtelfräulein und luden sie zur Frühgymnastik ein. "Ich bin dabei!", rief Kitty begeistert und rannte zum lila Zelt hinüber. "Und was ist mit dir Luzie? Die Massage kommt doch eigentlich nach dem Sport, vor dem Sport solltest du dich erwärmen", sagte Langöhrchen, der gesehen hatte, wie Luzie mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre gepeinigte Wade massierte. "Ich verzichte auf den Frühsport", sagte sie gequält, "ein Wadenkrampf am frühen Morgen reicht völlig aus." Jetzt ebbte auch das Schnarchen im gelben Zelt ab und Puh und Wuschel steckten ihre Nasen in die laue Morgenluft. "Ein bisschen Frühsport könnte euch beiden auch nicht schaden", lud Hüpf die beiden Wichtel fröhlich lachend ein, "oder bist du noch zu mitgenommen von deinem gestrigen Limbo, lieber Puh?" "So ein Quatsch! Ich und mitgenommen. Ich bin bereits wieder topfit", sagte Puh im Brustton der Überzeugung und warf sich ins Gras, um mit den ersten Sit-ups zu beginnen. "Halt Puh", rief Langöhrchen besorgt, "du musst dich doch erst aufwärmen." "Ach quatsch Aufwärmen! Ein austrainierter Sportsmann wie ich braucht eure lächerlichen Aufwärmübungen nicht, der ist schon nach dem Aufstehen genügend erwärmt für die ersten Übungen. Schaut her: und eins, und zwei, und drei, und … verflixt, ich glaube ich hab mir einen Bauchmuskel gezerrt." Und mit diesen Worten ließ sich Puh auf den Rücken fallen. "Da bin ich ja noch rechtzeitig wach geworden", konnte er eine muntere Vogelstimme neben sich vernehmen. Der Zwerg biss sich auf die Unterlippe und quälte sich auf die Füße. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. "Ist nicht weiter schlimm", lächelte er gequält und schleppte sich an den Frühstückstisch. Luzie hinkte hinterher und setzte sich neben ihn. "Sind wir nicht ein schönes Paar?", schmunzelte sie und gab ihm einen Kuss.

Träge verließ nun auch Willy das orange Zelt: "Komisch", sagte er nachdenklich, "ich hab doch eigentlich im Zelt geschlafen, woher kommen bloß meine nassen Federn?" "Das ist ganz einfach zu erklären", lachte Zwitschi, "als wir vor dem großen Regen zu dir geflüchtet sind, haben wir dich nicht wachgekriegt und bis wir dich vom Zelteingang so weit entfernt umgebettet hatten, dass wir den Reißverschluss zuziehen konnten, ist ganz schön viel Zeit vergangen." "Das stimmt", bestätigte Paul, "du hast kein bisschen mitgeholfen und schwer warst du wie ein Mehlsack." "Erstaunlich, dass solche Abenteurer wie ihr noch nicht mal dem ersten Regenschauer getrotzt haben", grinste Willy und schaute seine vier gefiederten Freunde forschend an. "Aber immerhin haben wir's wenigstens versucht", erwiderte Zwitschi. "Und beim Versuch ist es dann geblieben", grinste der Kauz.

Als sich Willy an den Frühstückstisch setzte, stellte er enttäuscht fest: „Orangensaft? Wieso Orangensaft! Ich nehme lieber einen Milchshake.“ „Milchshakes stehen nicht auf unserer Getränkekarte“, informierte ihn Gruseli. „Ein schöner Saftladen ist das hier“, beschwerte sich Willy. „Wo sollen wir denn hier draußen einen Milchshake hernehmen?“, fragte Puh lachend. „Hast du denn den Mixer nicht dabei?“ Willy war fassungslos. Hier draußen in der Wildnis kam man noch nicht einmal seinen mindesten Ansprüchen nach. „Und wo hätten wir den anstecken sollen?“, fragte Puh gespannt, „hier gibt es doch keinen Strom.“ „Und wie hast du dann den Herd angekriegt?“, jetzt hatte Willy den Zwerg in die Enge getrieben. Für Nudeln und Tomatensoße war genug Strom da, aber für seinen Milchshake gab es keinen. „Der Kocher läuft mit Propangas“, erklärte Puh ruhig. „Also gut. Dann kannst du dir schon mal gewiss sein, dass ich nächstes Jahr nicht wieder mit zum Zelten komme, es sei denn, es gibt bis dahin einen Propangasmixer.“ Puh lachte und auch Wuschel, der ihnen interessiert zugehört hatte, musste kichern. „Ein Glas Milch kann ich dir aber anbieten“, sagte Gruseli und stellte ein Glas vor Willy hin. „Ach was Milch“, beschwerte der sich, „Milch ist doch kein Milchshake.“ „Dann pass mal gut auf“, sagte Wuschel und seine Augen begannen zu funkeln, er legte den linken Zeigefinger auf seine Nasenwurzel und fixierte Willys Milchglas. Ein kleiner Sturm tobte nun darin und im Handumdrehen war der Milchshake bereitet. „Welcher Geschmack wird gewünscht?“, fragte Wuschel. „Das kannst du auch“, war Willy verblüfft. „Aber natürlich“, sagte der kleine Kobold im Brustton der Überzeugung. „Dann Vanille“, erwiderte der Kauz. „Eine meiner leichtesten Übungen“, meinte Wuschel und flüsterte einen Koboldspruch. In Willys Milchglas stürmte es erneut und dann färbte sich die Milch rosa. „Rosa Vanille?“, wunderte sich der Kauz und schnüffelte daran, „Wuschel, das ist Erdbeer.“ „Wenn du den nicht willst, dann nehm’ ich ihn“, sagte Schnuffi und zog das Glas zu sich heran. Gruseli brachte eilfertig ein zweites Glas. „Aufgepasst“, verkündete Wuschel und am Ende stand ein brauner Milchshake vor Willy. „Schoko“, strahlte Hüpf und griff nach dem Glas, „oder wolltest du den?“ Der Kauz schüttelte heftig den Kopf. Gruseli servierte Glas Nummer drei. „Ich versteh das nicht, wenn ich Vanille sage, wird es Erdbeer, wenn ich Erdbeer sage wird es Schokolade, nun sag ich mal Schokolade.“ Und schon tobte es erneut im Milchglas und die Milch färbte sich zart orange. „Maracuja“, stellte Willy fest und verzog angewidert das Gesicht. „Meins“, sagte Spitznäschen und warf sich auf das Glas, bevor es ihm Langöhrchen wegschnappen konnte. „Ich sehe schon, Maracuja ist beliebt“, lachte Wuschel und ließ sich ein viertes Glas bringen. „nicht bei mir!“, motzte Willy hörbar unzufrieden mit dem Service. Kobold Wuschel schenkte ihm keine Beachtung und legte erneut seinen Zeigefinger auf die Nasenwurzel. Es schäumte und brauste und einen Koboldspruch später hatte auch Langöhrchen seine Maracujamilch. „Das hast du aber toll gemacht“, lobten ihn die Hasen und das Eichhörnchen. „Ja wirklich ganz toll“, war Willy verbittert, „ich bestelle einen Milchshake und am Ende kriegt außer mir jeder einen.“ „Ich könnte es ja mal mit Kirsche probieren“, überlegte Wuschel. „Lass mal“, sagte Willy, „einen Bananenmilchshake will ich auch nicht.“ „Wie kommst du auf Banane?“, fragte Wuschel. „Nur so, es könnte auch Pfirsich werden. Aber auf keinen Fall wird es Vanille. Das sagt mir mein Gefühl.“ Doch Wuschel ließ sich nicht abhalten: „Gruseli, bitte ein fünftes Glas Milch.“ „Jetzt ist bestimmt die Milch ausgegangen“, murmelte Willy. Doch er hatte sich geirrt. Der Sturm tobte durch das Glas. Der Milchshake war bereitet und nun flüsterte Wuschel noch einmal den Koboldspruch. Abermals stürmte es im Milchglas und es verfärbte sich leicht gelb. „Ich hab’s doch gewusst“, beklagte sich der Kauz, „es ist Banane.“ „Würdest du freundlicherweise erst mal dran riechen, bevor du dich beschwerst“, erkundigte sich Wuschel. „Wenn du unbedingt darauf bestehst“, knurrte der Kauz und senkte seinen Schnabel zum Glas, „ich weiß jetzt schon, dass es …“ Er schnupperte: „Vanille ist!“ Willy strahlte. Hocherfreut tauchte er seinen Schnabel in die schäumende Köstlichkeit.

Die Hasenkinder und Hüpf räumten den Frühstückstisch ab und Luzie und Kitty kümmerten sich um den Abwasch. Puh half den beiden. Wuschel und seine Hausgespenster aber, verschwanden unter dem Vorwand, sie hätten etwas Wichtiges zu tun.

„Wie gerne würde ich jetzt ein bisschen in der Sonne sitzen und ein paar Seiten lesen“, meinte Kitty nach dem Abwaschen. „Kein Problem“, sagte Wuschel stolz, „als ob ich es geahnt hätte. Gerade haben die Gespenster und ich ein paar Liegestühle aufgestellt.“ „Das klingt wunderbar“, strahlte Kitty, hakte sich bei Wuschel unter und ließ sich zu der Sitzgruppe führen. Interessiert nahm sie die bunt gemusterten Sitzpolster in Augenschein. „Seid ihr sicher, dass die Stühle so richtig aufgestellt sind?“, fragte sie ahnungsvoll. „Aber liebste Kitty, selbstverständlich sind wir sicher. Wir werden doch wohl einen Liegestuhl aufstellen können“, warf sich Wuschel in die Brust. „Die Zelte habt ihr auch schon nicht aufstellen können“, sagte sie bedächtig. „Nun trau uns doch wenigstens das hier zu“, seufzte er. „Findest du nicht, dass sie ein wenig auf halb Acht hängen“, grübelte Kitty noch immer. „Finde ich nicht“, erwiderte Wuschel schon beinahe ein wenig beleidigt, „pass auf, ich werde mich jetzt vor deinen Augen in einen der Stühle fallen lassen und du darfst dir aussuchen, in welchen.“ „Warte mal, bevor ich mich entscheide, möchte ich zu bedenken geben, dass deine Hausgespenster gemütlich auf der Bank dort drüben sitzen. Ist das nicht ein bisschen merkwürdig?“ „Was soll daran merkwürdig sein? Ich sage dir, die Liegestühle stehen alle wie eine Eins und nun entscheide dich endlich für einen, damit ich es dir beweisen kann.“ „Also schön, dann nehmen wir den da mit dem Sitzpolster, auf dem die orangen Hibiskusblüten prangen. Der sieht noch am stabilsten aus.“ „Die sehen alle gleich stabil aus, aber wenn du meinst“, und Wuschel ließ sich bei diesen Worten in den Stuhl fallen. Der Stuhl klappte zusammen und fiel mit Wuschel rücklings auf die Wiese. „Aha, so steht also eine Eins“, lachte Kitty. „Musstest du ausgerechnet den nehmen, den Gruseli aufgestellt hat?“, keuchte Wuschel und kroch unter dem Stuhl hervor. „Ich denke die sind alle gleich stabil“, amüsierte sich Kitty. „Wenn du den hier genommen hättest, den mit den schönen roten Mohnblumen, wäre das alles nicht passiert, denn den hat dein Wuschel persönlich aufgestellt. Pass gut auf!“ „Aha“, sagte Kitty nur und zuckte mit den Schultern. Als ob das einen Unterschied machte. Für Wuschel offenbar schon, denn der ließ sich prompt hineinfallen. Das Ergebnis war das gleiche. Der Stuhl klappte zusammen und fiel mit Wuschel nach hinten um. Kitty lachte. „Deine Demonstration ist wirklich sehr anschaulich und ich habe verstanden, was du mir damit sagen willst: ein von dir aufgestellter Liegestuhl heißt Liegestuhl, weil man sofort zum Erliegen kommt, sobald man sich hineinsetzt.“ Und damit winkte sie ab, suchte sich den Stuhl mit den weißen Rosenranken aus und versuchte ihn aufzustellen. „Verflixt noch mal, das kann doch nicht so schwer sein“, murmelte sie und dann etwas lauter, „jetzt hab ich mir das Ding auch noch auf den Fuß gestellt.“ Drei eingeklemmte Finger später trat Puh hinter sie. „Darf ich helfen?“, fragte er und Kitty überließ ihm erleichtert das Feld. „so das war’s“, sagte er nach ein paar Augenblicken, „bitte Platz zu nehmen junge Dame.“ Und galant nahm er ihre Hand und geleitete sie zu ihrem Platz. „Das gibt es doch nicht“, staunte Wuschel, „der Stuhl ist ja gar nicht zusammengebrochen.“ „Soll ich die anderen Liegestühle auch mal ordentlich hinstellen?“, erkundigte sich Puh. „Das ist nicht nötig, ich mach das schon. Die Gespenster haben da wieder mal gepfuscht“, brummelte Wuschel. Und so ging Puh davon und Wuschel werkelte noch ein wenig an den anderen Stühlen herum. „so, das müsste es gewesen sein“, sagte er dann. „Willst du denn nicht noch mal einen der Stühle ausprobieren?“, fragte Kitty. „Nicht nötig, ein geschultes Auge sieht sofort, dass sie jetzt ordentlich dastehen.“ „So wie eine Eins?“, lachte Kitty. Aber sie kümmerte sich nicht weiter darum. Sie hatte ja ihren Platz und anscheinend wollte außer ihr ohnehin keiner in der Sonne sitzen und ausspannen. Und so vertiefte sie sich in ihr Buch.

"Meine schönen Federn könnten ruhig noch ein wenig trocknen", sagte Willy und beschaute sich kritisch. "Dann flieg doch hinüber zu den Liegestühlen, die Wuschel gerade aufgestellt hat", empfahl Puh, "dort ist ein schönes sonniges Plätzchen." "Das lässt sich hören", strahlte der Kauz und flog zu den bunten Stühlen hinüber. Er umkreiste die Stuhlgruppe ein paar Mal und wählte dann den Stuhl mit den lila blühenden Malven. Und in diesen floralen Sommertraum ließ er sich hineinsinken. Kitty schreckte von ihrem Buch hoch, denn neben ihr hatte es vernehmlich gekracht. Was war das? Einer der Stühle war zusammengebrochen. Und dazwischen lag Willy Kauz - bewegungslos und mit fest geschlossenen Augen. "Willy ist dir was passiert? Geht es dir gut?", fragte Kitty voller Sorge. Doch dann sah sie, wie sich Willys Brust regelmäßig hob und senkte und bald schon hörte sie ein zufriedenes Schnarchen. Vorsichtig befreite ihn das Wichtelfräulein aus seiner misslichen Lage, von der Willy nichts mitbekam. Dann lief sie zu den Zelten und holte Puh, der Willys Stuhl mit den lila Malven ordentlich hinstellte. Zusammen setzten sie den noch immer schlafenden Kauz hinein und danach stellte Puh die anderen Stühle ebenfalls ordentlich auf.

4. Teil - Und nun noch das dicke Ende

Der Kristallsee lag zwischen hohen Schatten spendenden Bäumen versteckt. Sein Wasser war so klar, dass man den weißen feinen Sand auf dem Grund blitzen sehen konnte. Die drei Hasenkinder und Hüpf hatten sich den Wasserball geschnappt und waren zum Ufer des Sees gelaufen. "Du bläst die Murmel auf", sagte Langöhrchen und warf Schnuffi das zusammengeknautschte rote Gummiding zu. "Vergiss es, wer bläst, hat schon verloren, weil ihm nachher beim Spiel die Puste fehlt." Und damit warf er es Spitznäschen vor die Füße. "Du denkst doch nicht, dass ich meine kostbare Luft fürs Aufblasen verschwende! Soll Hüpf es doch machen!" Und schon war der Ball beim Eichhörnchen gelandet. Doch Hüpf verschränkte nur die Vorderpfoten und drehte sich weg. "Da kommt ja Puh", rief er und winkte den Zwerg heran. Puh kam zu ihnen. "Kann ich euch helfen?", erkundigte er sich. Die Hasenkinder zeigten auf ihren roten Wasserball. "Ach so, eure Schrumpftomate soll ich aufblasen. Na Moment mal, ich habe zuvor noch etwas zu erledigen." Und dann nahm er sein Kuschelhandtuch und legte es am schönsten Platz auf der Liegewiese aus. "So, der ist für mich reserviert", erklärte er und widmete sich dem Wasserball. Die Hasenkinder und Hüpf honorierten seine Mühen mit großem Jubel. Endlich konnte der Spaß im Wasser beginnen. Puh verbeugte sich knapp und seine Lippen umspielte dabei ein Siegerlächeln. Als er zu seinem Handtuch zurückkam, saß da etwas kleines Blaues und steckte seinen frechen Schnabel in die Luft. "Zwitschi!", entfuhr es Puh. "Ach komm schon, das Badetuch ist groß genug für uns beide", sagte der kleine blaue Vogel und sah Puh treuherzig an. "Du hast ja recht", stimmte ihm der Zwerg zu und setzte sich hin, um seine Schuhe auszuziehen. "He, du nimmst mir die schöne Aussicht auf den Kristallsee", piepste es hinter seinem Rücken. "Dann setz dich doch vor mich aufs Handtuch", schlug Puh vor und Zwitschi folgte der Aufforderung. "Das ist auch nicht das Wahre", beschwerte er sich, "jetzt klaust du mir die Sonne." "Ich sehe schon, zwei sind für ein Handtuch eindeutig einer zu viel. Du findest mich im Wasser." Und damit schlüpfte er aus seinen Klamotten und rannte zum See. Zwitschi schlug die Flügel vor die Augen: "Oh nein, jetzt tummeln sich die Guppys! Und ich hab die Kopfschmerztabletten vergessen."

In den Bäumen begann es zu kichern und ein Auslöser klickte vernehmlich. Puh sah sich erschrocken um: "Das ist gut, bleib so", krächzte Gundula, die freundliche Krähe und schoss ein zweites Foto. "Und jetzt dreh dich mal ganz um, dann haben wir eine schöne Frontaufnahme. Genau so ist es perfekt", sagte sie und betätigte den Auslöser erneut. Agathe, die Eule saß neben ihr und lachte: "Schade, dass die Druckerpresse nicht die ganze Farbvielfalt deiner Badeshorts wiedergeben kann. Sie werden auf der Titelseite der Waldzeitung blasser wirken als im Original." "Zum Glück sind wir alle hier und können uns deine Shorts ganz in natura betrachten", rief Stachelchen, der kleine Igel und verließ zusammen mit seinen Eltern das Versteck im Gebüsch. "Wie, wir alle?", fragte Puh erstaunt und sah sich verwundert um. "Na wir alle", lachte Fuchs Listig und kam hinter einem Strauch hervorgeschlichen. "Und was wollt ihr hier?" "Na deine große bunte Wassershow verfolgen", lachten die Haseneltern und ihre langen Ohren Tauchten hinter einem großen Stein auf. Und als Puh nach oben sah, entdeckte er unzählige bunte Vogelköpfchen, die sich aus dem dichten Blätterdach der Bäume hervorgestreckt hatten. "Tolles Outfit", quakte es vor ihm im ufernahen Gras und die beiden Frösche Quieki und Quaki kugelten sich vor Vergnügen. "Ihr seid auch hier?", wunderte sich Puh und sein Erstaunen wuchs und wuchs. "Deine Badeshorts sind wieder mal der absolute Brüller. Unser Informant hat nicht übertrieben", jubilierte Agathe. "Welcher Informant?", Puh stutzte. Davon wusste doch nur …? Zwitschi!", schrie er wütend. "Ich war das nicht", piepste es vom Kuschelhandtuch. "Wer's glaubt", seufzte Puh. Am liebsten hätte er sich kopfüber in die Fluten gestürzt, aber dafür musste er erst noch die beiden Rehe Pünktchen und Punktinchen umkurven, die ihn neugierig beäugten.

Von dem allgemeinen Trubel wurde auch Luzie angelockt. "Was ist hier denn für ein Auflauf?", fragte sie gespannt, "Puh, warum wirst du fotografiert?" "Wegen meiner Badeshorts", flüsterte der Zwerg kaum hörbar und blickte beschämt zu Boden. Doch das kleine Wichtelfräulein sagte: "Daran tust du recht, liebe Gundula. Puh sieht heute wirklich umwerfend aus." Und damit warf sie ihr hellblaues Strandkleid von sich und stand da - in einem türkisen Badeanzug mit vielen, vielen Guppys. "Willst du nicht ein Foto von uns beiden machen?", fragte das Wichtelfräulein und lächelte. "Mal sehen, ob das die Linse verkraftet", krächzte die Krähe und drückte den Auslöser. Paul Kauz kam herbeigeeilt und fragte: "War doch ein Klassetipp oder?" "Und ob", erwiderte Gundula, "er ist sogar noch ein ganzes Stück besser als du dachtest. Wir haben schon die doppelte Portion Guppys." Und ihr Flügel wies auf Luzie, die neben Puh stand. So ist das also, diese alte Tratschfeder von einem Kauz ist für den Auflauf hier verantwortlich, dachte Puh und nun wurde ihm auch klar, warum Paul fast zu spät zum Reiseantritt erschienen war. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Luzie hatte gesagt, dass er umwerfend aussieht. Er lächelte sie glücklich an und sein Herz klopfte laut vor Freude. "Was ist denn bei euch los?", wollte Wuschel wissen, der auch zum Kristallsee gekommen war. Der Igel Stachelchen hielt sich kichernd den Bauch, als er den Kobold entdeckte. Zwitschi entfuhr ein entsetztes: "Das gibt es doch nicht dreimal!" Paul Blieb der Schnabel offenstehen und Gundula betätigte vor Schreck den Auslöser der Kamera, ohne überhaupt etwas im Fokus zu haben.

Auch Wuschel trug türkis mit quietschbunten Guppys. "Diese Badebekleidung ist dieses Jahr total angesagt. Ich wusste gar nicht, dass du einen so außergewöhnlich guten Geschmack hast, Puh. Schließlich hast du voll und ganz auf meine modische Beratung verzichtet." "Tja, da kannst du mal sehen", freute sich der Zwerg, der inzwischen wieder ganz obenauf war. Luzie trug Türkis, Wuschel trug Türkis, na bitte, so falsch hatte er bei seiner Farbwahl nicht gelegen. "Stellt euch mal zusammen für ein Gruppenfoto", schlug Gundula vor und die Drei taten ihr den Gefallen. "Sehr schön", lobte die Krähe und versuchte sie ins Bild zu kriegen, "ich bin total überwältigt von dieser Farbenpracht. Bitte alle mal recht freundlich!" "Halt, halt, soll ich nicht auch noch mit drauf auf das Foto", rief Kitty und lief so schnell sie konnte herbei. Als sie Shorts und T-Shirt abgestreift hatte, flog Zwitschi zu Agathe und flüsterte der Eule ins Ohr: "Hast du zufällig Kopfschmerztabletten dabei? Viermal Türkis mit Guppys hält auch der stärkste Zwitschi nicht aus." "Tut mir leid, wenn ich auch nur im Entferntesten geahnt hätte, was mich hier erwartet, hätte ich welche dabei", lachte die Eule und schloss geblendet die Augen, während Gundula das nächste Foto schoss.

"Jetzt macht schon Grabi und Schaufelchen, zieht", sagte Scharri, die Maulwurfsmutter und schob kräftig am Handwagen, "wir verpassen noch Puhs neues Outfit." "Das ist nicht unsere Schuld", versetzten die beiden, "wir haben nicht zehn Minuten lang nach einem lindgrünen Schaltuch gesucht." "Quatscht nicht und strengt euch mal ein bisschen an", drängelte Scharri. "Beruhige dich, mein Liebes", meinte Wühli, der Maulwurfsvater, "wir sind doch gleich da." Als sie um die nächste Ecke bogen, konnten sie das Schauspiel schon sehen. "Viermal Türkis", jubelte Scharri, "welche Pracht. Aus einem Stoff mit diesem fantastischen Muster muss ich mir unbedingt ein Kopftuch nähen lassen." Wühli verzog das Gesicht. Hoffentlich war dieser grässliche Stoff längst vom Markt. Nun rollten sie noch einen kleinen Abhang hinab und dann waren sie mitten im Geschehen. Zwitschi, der die Maulwürfe zuerst entdeckt hatte, flog flink zu ihnen und setzte sich neugierig blinzelnd auf den Rand des Handwagens. "Was bringt ihr denn Gutes?", fragte er und schlug aufgeregt mit den Flügeln. "Speise-Eis", erklärte Wühli. "Was für eine wundervolle Idee, so ganz nach meinem Geschmack. Ich muss sofort Willy wecken." Und schwups war er verschwunden. In seinem Stuhl mit den lila Malven saß der Kauz und schlief noch immer. "Willy aufwachen, du hast lang genug geschlafen! Komm mit, es gibt Eis in rauen Mengen." Willy zog das linke Augenlid hoch: "Vanille", fragte er verschlafen. "Keine Ahnung", erwiderte Zwitschi. "Dann finde das bitte für mich raus und komm noch mal wieder. Ich schlafe derweil noch ein bisschen weiter." "Vergiss es! Entweder du kommst mit oder du lässt es bleiben", entgegnete Zwitschi. "Barbarische Sitten", beklagte sich Willy und verließ schweren Herzens seinen Sonnenstuhl.

"So da wären wir", sagte Zwitschi und deutete auf den großen Eis-Behälter, um den sich inzwischen eine große Versammlung eingefunden hatte. "Jetzt auch noch anstehen", jammerte der Kauz. Stück um Stück rückten sie in der Schlange vor. "Also entweder das Eis ist alle, bis wir dran sind oder …" "Willy, hör endlich auf zu meckern, du bist schon dran", wies ihn Zwitschi zurecht. "Welche Eissorten habt ihr dabei?", fragte der Kauz interessiert. "Eissorten?", erwiderte Grabi, "es gibt nur eine einzige Sorte - und zwar, die ultimative Kreation des Sommers, eine wahre Gaumenfreude, das absolute Highlight der Saison …" "Geht das nicht ein bisschen kürzer, diese vielen Wörter machen mich übellaunig", brummelte Willy. "Wie du willst", lachte Schaufelchen, "Maracuja-Vanille. Ist das kurz genug?" "Und dafür holst du mich aus meinen Liegestuhl", Willy warf Zwitschi einen vorwurfsvollen Blick zu. "Ich weiß gar nicht, was du hast, Vanille ist doch mit drin." "Igitt", verwarf Willy den Einwand des kleinen blauen Vogels. "Was ist nun Willy?", fragte Schaufelchen, "darf es ein leckeres kühles Bällchen sein?" "Bleib mir bloß weg mit deinen Bällchen, ich verzichte", brummelte der Kauz und wandte sich missbilligend ab. Da fiel sein Blick auf Unmengen von Guppys, die sich auf türkiser Badebekleidung tummelten: "Auch das noch. Heute bleibt mir aber gar nichts erspart." Zwitschi dagegen sagte: "Wenn Willy kein Eis möchte, opfere ich mich eben und nehme schweren Herzens die doppelte Portion." "Die hättest du bestimmt auch genommen, wenn sich Willy eine Kugel bestellt hätte", feixte Scharri. "Was zu beweisen wäre", konterte Zwitschi und steckte den Schnabel ins Eis-Schälchen.

Die Hasenkinder und Hüpf kamen aus dem Wasser gerannt. Sie hatten bei ihrem fröhlichen Spiel weder von der Modenschau der Wichtel noch von der Eislieferung der Maulwürfe etwas mitbekommen. Zuerst fiel ihnen der Eiswagen ins Auge: "Au lecker, fein, das haben wir uns verdient. Meint ihr nicht?", fragte Hüpf seine langohrigen Sportskameraden. Die drei Hasen stimmten ihm breit grinsend zu und ließen sich eine Waffeltüte mit je 2 Kugeln aushändigen, während das Eichhörnchen sogar drei Kugeln verlangte. Mit viel Genuss schleckten sie an ihrem Eis und lobten die Maulwürfe ein ums andere Mal. "Jetzt zurück ins Wasser!", rief Schnuffi und die anderen rannten hinterdrein. Schnuffi hielt plötzlich in der Bewegung inne. Was war das? Die vier Wichtel trugen Einheitstracht - ganz in Türkis mit Unmengen von Guppys. "Das ist ja super!", rief der kleine Hase aus, "ihr seid ja eine richtige Mannschaft. Wie wäre es mit einem Wasserballspiel - Wichtel gegen Hasenhörnchen?" "Also gut, es gilt", sagte Puh, "wer zuerst im Wasser ist, hat Aufschlag." Und die Wilde Jagd begann. "Und ich gebe den Schiedsrichter", erklärte Willy. "Du?", Zwitschi war von den Socken. "Ich hab doch nicht meinen Schönheitsschlaf für Maracuja-Eis und Wichtel in türkisen Badesachen unterbrochen. Wenn ich nun schon einmal wach bin, kann ich auch Schiedsrichten." Wuschel reichte ihm ein silbernes Pfeifchen, das Willy auch sofort zum Einsatz brachte. Das Spiel begann, der Auslöser von Gundulas Kamera klickte und rings um den Kristallsee saßen die begeisterten Zuschauer und jubelten den Wasserballern zu. Willy war sichtlich stolz. Endlich hatte er eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen, die ihn voll und ganz erfüllte. Doch als Wuschel über alle Hasenköpfe hinweg das Tor zum 11: 10 erzielte, gab Willy den Treffer nicht. Eine so große Verantwortung konnte sehr ermüdend sein.

Nachdem sich alle Camper am abendlichen Lagerfeuer ausgeruht hatten, startete die Nachtwanderung. Inzwischen war es ausreichend dunkel. Nur das Mondlicht und die funkelnden Sterne bahnten sich einen Weg durch das Dickicht des Zauberwaldes. "Sollten wir nicht lieber die Taschenlampen mitnehmen?", fragte Schnuffi ängstlich. "Ach sei doch nicht so ein Angsthase. Wer nimmt denn schon eine Taschenlampe mit zur Nachtwanderung", erwiderte Paul Kauz, "ihr habt doch mich und Willy. Wir werden euch den Weg schon weisen." "Wenn du es sagst", beruhigte sich Schnuffi und dann wanderten sie los. Die beiden Käuze flogen vorweg. Der nächtliche Wald war erfüllt von geheimnisvollen Geräuschen. Kleine Mäuse liefen über knackende Zweiglein, hier schrie ein Uhu, dort ein Bussard. Der Wind säuselte in den Baumkronen. Und hier sollte man sich nicht fürchten? "Hätten wir bloß die Taschenlampen mitgenommen", wisperte Schnuffi, "wir finden uns doch nie zum Zeltplatz zurück." "Natürlich finden wir uns zum Zeltplatz zurück", versuchte Paul Kauz ihn zu beschwichtigen, "auf unseren Orientierungssinn ist schließlich Verlass." "Moment mal, ihr Orientierungskünstler, sind wir an dieser Rotbuche nicht schon das dritte Mal vorbeigekommen?", erkundigte sich Puh ein paar Augenblicke später. "Das kann nicht sein. Das ist völlig unmöglich", erwiderte Reiseführer Willy. "Ich habe aber auch das komische Gefühl, dass wir dauernd im Kreis gehen. Es ist genauso wie heute Nachmittag, als ich mit Steuermann Wuschel Tretboot gefahren bin. Am Ende mussten uns die Gespenster Spuki und Gruseli zum Ufer abschleppen", meinte Kitty. "Ach schade, das hab ich ja total verpasst!", sagte Hüpf bedauernd. "Gräme dich nicht", tröstete ihn Wuschel und zog eine Augenbraue hoch, "Gundula hat alles mit der Kamera festgehalten. Schau einfach in die nächste Waldzeitung." "Und ich sage euch, dass wir nicht herumkreiseln. Im Dunkeln scheint vieles gleich auszusehen, aber glaubt mir, eure beiden nachterfahrenen Reiseleiter wissen genau, wo es langgeht", behauptete Paul. Nach einer Viertelstunde, die Walduhr hatte von fern Mitternacht geschlagen, fiel Puh erneut die Rotbuche ins Auge: "Da ist sie ja schon wieder", sagte der Zwerg. "Das ist nicht wahr. An dieser Rotbuche waren wir heute garantiert noch nicht", erklärte Willy Kauz. "Jetzt reicht es mir aber", meinte Puh und klebte seinen Kaugummi an den Stamm. Sie liefen weiter, die nächste Viertelstunde verstrich und schon tauchte sie wieder auf - die besagte Rotbuche. Puh befühlte den Stamm und hatte Erfolg. "Hab ich es doch gewusst", triumphierte er, "wir gehen die ganze Zeit im Kreis." "Und woher willst du das wissen?", war Willy interessiert. "Ich habe den Baum mit Kaugummi markiert und eben diesen Kaugummi habe ich jetzt wiedergefunden." "Das ist noch lange kein Beweis, den Kaugummi könnte jeder an den Stamm geklebt haben", war Paul uneinsichtig. "Ja klar", lachte Zwitschi, "als ob es zwei von der Sorte gibt, die auf so eine unwahrscheinlich du… durchdachte Idee kommen." "Nun gut, wir haben uns verirrt", gaben die Käuze verbittert zu, "und was nützt uns diese Erkenntnis?" "Diese Erkenntnis an sich nützt uns nichts", sagte Luzie, "aber sie ist ein gutes Signal, die Taschenlampen endlich einzuschalten." Und schon hatte sie zwei Taschenlampen aus den Jackentaschen ihres Trainingsanzugs geholt. "So und jetzt geleiten ich und Kitty euch zurück zum Zeltplatz", sagte sie, nachdem sie Kitty eine der beiden Lampen gereicht hatte. Und dann übernahmen die beiden Wichtelfräulein die Führung der Gruppe. Das Licht brachte schon bald die totale Erleuchtung. "Schaut mal", gurrten die Tauben, "wir sind heute Nacht nicht besonders weit gekommen. Kitty und Luzie strahlen doch schon die Zelte an." "Ja, ja", bestätigte Hüpf, "noch dreißig Meter weiter nach links und wir hätten uns in den Zeltschnüren verheddert." "Dann haben wir es wenigstens nicht mehr weit ins Bett", gähnte Willy, "haben wir das nicht gut hingekriegt?" Die anderen lachten.