Das Wasserkonzert

„Und eins und zwei“, dirigierte der Frosch Quaki. Daraufhin setzte ein ohrenbetäubendes Gekreische ein. „Aus Mädchen, so geht das nicht!“, rief er verzweifelt, aber er kam gegen das Damenstreichquartett der Frösche nicht an. Eine jede spielte verbissen ihren Part bis zum bitteren Ende. Der entnervte Quaki ließ seinen Dirigentenstab fallen und hielt sich entsetzt die Ohren zu. Als sich kein Geigenbogen mehr über die Saiten bewegte, atmete er erleichtert auf. „Mädchen, ihr müsst noch mal die Instrumente stimmen und wenn ihr freundlicherweise die Noten spielen würdet, die ich euch gegeben habe.“ „Das machen wir doch die ganze Zeit, dein Stück klingt eben so scheußlich. Da hilft das qualifizierteste Streichquartett des Zauberwaldes auch nichts mehr. Das ist so, als wenn man mit saurer Milch einen Schokoladenpudding kocht“, erboste sich eines der Froschmädchen. „Ihr wollt euch doch wohl nicht mit dem großen Wasserkomponisten anlegen? Passt auf, ich quake euch die Melodie!“ Darauf setzte ein ohrenbetäubendes Gequake ein. Nun hielt sich das gesamte Streichquartett die Ohren zu und wartete sehnsüchtig auf den Augenblick, als Quaki das Froschmaul zuklappte. „Na endlich“, rief die dickste der Damen, die die Wortführerin war. Die anderen klatschten ihr Beifall. „Und ob du es glaubst oder nicht, wir haben jede deiner Noten gespielt, die wir entziffern konnten.“ Die anderen johlten: „Genau!“ Quaki stöhnte auf: „Wie bin ich bloß auf die verrückte Idee gekommen eine Girlband zu dirigieren. Ich hätte es besser wissen müssen.“ „Gib dich zufrieden“, sagte die Dicke, „wir legen noch mal los. Gib das Kommando großer Künstler!“ Quaki holte noch einmal tief Luft, hatte Glück und verschluckte dabei eine Fliege. „So, jetzt kann's losgehen, Konzentration meine Damen.“ Das Gefiedel setzte ein. Die Froschmädchen gaben alles. Es klang schief, war aber sehr laut. „Ruhe!“, schrie Quaki aus Leibeskräften. „Was hast du denn nun schon wieder, das klang doch richtig klasse“, maulte die Dicke. „Wenn ihr die Lautstärke beibehaltet und ich bald nichts mehr höre, finde ich es bestimmt auch richtig klasse. Marsch, marsch Mädchen, ab in den Waldsee, ich werde eure Instrumente selbst überprüfen, irgendetwas stimmt hier nicht - im wahrsten Sinne des Wortes“, sagte Quaki und holte die Stimmgabel hervor. Nach einer halben Stunde saßen die Froschmädchen wieder auf ihren Steinen und Quaki stand am Dirigentenpult. „Jetzt könnte es gehen“, sagte er optimistisch. Ein heiseres Gequietsche belehrte ihn eines besseren. „Aufhören, sofort aufhören!“, rief es zwischen den Büschen hervor. „Was willst du eigentlich von uns?“, meldete sich die Dicke, „Sollen wir nun spielen oder aufhören? Kannst du dich mal entscheiden?“ „Das war ich nicht, obwohl ich es hätte sein können“, verteidigte sich Quaki, denn die Dicke hatte sich in Bewegung gesetzt und hatte sich ihm drohend genähert. „Wer wagt es dann unsere kreative Schaffensphase zu sabotieren?“, fragte die Dicke drohend und drehte die Augen heraus. „Ich!“, rief Hüpf, das Eichhörnchen und stolperte zum Waldsee. Die Froschdamen beobachteten ihn interessiert. „Ich kann das Gedudel nicht mehr hören“, rief Hüpf frustriert, „seit Vierzehn Stunden versucht ihr so etwas wie Musik zu machen. Es hört sich aber an, als müsste mal dringend einer mit der Ölkanne vorbei kommen.“ „Du wagst es uns zu beleidigen“, schnarrte die Dicke, „Das ist Kunst, falls es deinen ungeübten Ohren nicht aufgefallen ist, du rotbrauner Banause. Wir proben für das Wasserkonzert am Samstag. Und falls du den Kalender lesen kannst, wir haben nur noch drei Tage Zeit.“ „Genau!“, pflichteten die anderen drei Froschmädchen ihrer Anführerin bei. „Was glaubt ihr eigentlich, wie viel Lärm ein Eichhörnchen ertragen kann. Ich will schlafen, verflixt.“ „Denk bloß nicht, dass ich mit denen nichts durchmache“, jammerte Quaki, „die vier sind wirklich eine Zumutung. Sei ein Mann wie ich und trage dein Schicksal mit Würde.“ Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Die Dicke warf mit ihrem Notenheft nach ihm und die anderen taten es ihr gleich. Hüpf verkrümelte sich vorsichtshalber. Er musste ja nicht unbedingt in seinem Nest schlafen. Es gab ja noch den Zwergengarten. In der Morgendämmerung traf er dort ein, legte sich unter die alte Kastanie, auf der der Kauz Willy sein Nest hatte, und war wenig später fest eingeschlafen.

Was war das? Lautstarkes Vogelgezwitscher riss ihn aus seinen Träumen. Schlug Zwitschi früh am Morgen so einen Krach? Als das Eichhörnchen sich umsah, saßen in allen Bäumen hunderte von Vögeln. Die Eule Agathe hatte sich auf dem Springbrunnenrand niedergelassen und dirigierte. „Das kann doch nicht wahr sein“, dachte Hüpf, „ich bin mitten in die Proben des Waldchors geraten.“ Wütend stapfte er zum Zwergenhaus und zog an der Glocke. „Guten Morgen Hüpf“, sagte Puh fröhlich. Damit war er bei Hüpf an der falschen Adresse. Das Eichhörnchen blickte ihn aus müden Augen an. „Du könntest ruhig ein wenig munterer sein“, meinte Puh. „Sei du einfach für mich mit munter, wenn es dir nicht passt. Ich habe das Geigen quälende Froschquartett direkt vor meiner Haustür und als ich in deinen ansonsten stillen Garten geflohen bin ...“ „... bist du direkt in den Probenraum des Waldchors geraten“, ergänzte Puh, „tut mir leid, aber ich habe den Vögeln meinen Garten zur Verfügung gestellt.“ „Was mach' ich nur, ich kann doch nicht so lange ohne Schlaf auskommen, bis das Konzert über die Bühne gegangen ist?“ „Das kannst du wirklich nicht, aber wenn ich das da draußen höre, werden sich die Proben in meinem Garten noch länger hinziehen. Warte ich hab' da eine Idee, ich bringe dich zu Wuschel. Dort ist es immer still und friedlich.“ Puh schnappte sich den Wünschelbesen und führte Hüpf zu Wuschels Hütte. Der Kobold war nicht zu Hause. Aber unter den Fichten war es wunderschön kühl und vor allem ruhig. Hüpf streckte sich aus und schlief sofort ein. Puh legte den Wünschelbesen neben ihn und ging nach Hause zurück.

Hüpf fuhr zwei Stunden später aus seinen süßen Träumen hoch. Was war denn nun schon wieder los? Wuschels Hütte bebte. Eine Trommel und ein Schlagzeug ließen die Wände der Hütte erzittern. Jetzt verstand das Eichhörnchen, warum Wuschel ausgegangen war. Die Gespenster übten ebenfalls für das Wasserkonzert. Hüpf ertrug es ein paar Minuten, doch als Spuki und Gruseli anfingen zu jodeln, rannte er, von Grauen geschüttelt, davon. Mit Hilfe des Wünschelbesens langte er wieder im Zwergengarten an. Die Vögel probten noch immer, obwohl sich die Eule längst davon gemacht hatte. Offenbar hatten sie es in ihrem Eifer nicht bemerkt. Es wurde langsam dunkel. Hüpf schlich in die Zwergenstube und brachte den Besen zurück. Puh schnarchte auf seinem Sofa. Ein dickes Buch war zu Boden gefallen. Der Zwerg hatte es lesen wollen, war aber darüber eingeschlafen. Das Eichhörnchen verließ kopfschüttelnd das Zwergenhaus. Es konnte nicht verstehen, wie der Zwerg bei so viel Gezwitscher schlafen konnte. Am Waldsee dauerten die Proben der Frösche noch an. Es klang ein wenig versöhnlicher. Die Lautstärke hatte etwas nachgelassen. Wahrscheinlich wurde auch ein Frosch mal müde. Hüpf hatte es schon nicht mehr zu hoffen gewagt. „Mädels, wir machen Schluss für heute“, sagte Quaki. Hüpf atmete erleichtert auf. Doch seine Freude war von kurzer Dauer, denn die Dicke ergriff das Wort: „Nicht schlappmachen großer Meister, wir sind gerade so schön dabei.“ Bei „schön“ schüttelte Hüpf missbilligend den Kopf. „Na schön“, schnaufte Quaki geschafft, „dann lasst uns wenigstens 'ne Pause einlegen.“ Dagegen sprach offensichtlich nichts. Das Streichquartett folgte dem Dirigenten in den Waldsee. Das Eichhörnchen sah seine Chance gekommen. „Eure Pause wird länger sein, als ihr denkt. Jetzt werd' ich mir erst einmal ein paar Stunden Ruhe verschaffen“, dachte es. Hüpf schnappte sich die Geigen und den Dirigentenstab und versteckte sie im Gebüsch. Dann suchte er sein Nest auf.

„Was ist denn hier los? Wuschel, was machst du denn hier?“, fragte er, als er den Kobold in seinem Ohrensessel erblickte. „Ich war auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen“, sagte Wuschel. „Hätt' ich dir sagen können, dass hier keins ist“, meinte Hüpf, „und ich hab's unterdessen bei deiner Hütte versucht.“ „Hätt' ich dir sagen können, dass dort keins ist“, gab Wuschel zurück, „aber jetzt scheint es hier langsam ruhig zu werden.“ „Muss es ja“, sagte Hüpf stolz, „ich hab' die Geigen der Frösche versteckt.“ „Hoffentlich gut“, strahlte Wuschel und gähnte herzhaft. Die beiden tranken noch ein Glas warme Milch und schliefen ein, Wuschel im Ohrensessel und Hüpf in seinem Bett.

In der Morgendämmerung tobte es unter dem Eichhörnchennest: „Rück unsere Instrumente sofort raus, du mieser Dieb“, krakeelte die Dicke. Und wie sollte es anders sein, die drei anderen Froschmädchen schlossen sich ihr an. Wuschel und Hüpf fuhren entsetzt hoch und das Eichhörnchen brüllte herunter: „Ruhe! Verflixt, Ruhe!“ Es half nichts. „Wir wollen geigen, wir wollen geigen“, skandierten die Froschmädchen im Chor. Das Eichhörnchen hatte eine Idee. Es rief: „Ich habe heute Nacht eure Geigen beschlagnahmt. Ihr bekommt sie wieder zurück, sobald ich ausgeschlafen habe. In der Zwischenzeit befinden sie sich sicher verwahrt hier oben in meinem Nest. Wenn ihr aber nicht augenblicklich mit dem Getöse aufhört, werfe ich sie hinunter und dann waren es mal Geigen gewesen.“ „Rückzug!“, ordnete die Dicke an und die anderen folgten ihr. „Ein Glück, dass die Chefin der Girlband nicht die klügste ist. Sonst hätten sie sich sicher gefragt, wie ich es geschafft habe, mit den Geigen am Stamm hinaufzuklettern.“ Wuschel lachte. Die beiden begaben sich wieder zur Ruhe und schliefen bis in den späten Nachmittag. Tat das gut.

Als sie an den Waldsee kamen, hexte Wuschel einen grünen Nebel, damit die Frösche nicht sehen konnten, dass Hüpf ihre Geigen nur im Gebüsch versteckt hatte. „Hier sind eure Geigen“, sagte Wuschel und verteilte die Instrumente zusammen mit Hüpf. „Die fette Rote ist meine“, krächzte die Dicke. „Fangt an Mädels, zeigt, was ihr könnt!“, schrie Quaki und schwang voller Inbrunst den Dirigentenstab. Es kreischte, es heulte, es jammerte und fiedelte grässlich. „Aufhören!“, riefen Quaki, Hüpf und Wuschel im Chor. „Was 'n los?“, maulte die Dicke. „Ich versteh' ja nicht viel von Musik, aber wäre es nicht besser, wenn ihr die Notenblätter so herum auf eure Pulte legen würdet?“, fragte Wuschel, der interessiert an das Notenpult des kleinsten Froschmädchens getreten war. „Wie jetzt?“, fragte die Dicke und eilte herbei. „Na so“, zeigte Wuschel es ihr. „Und das hilft?“, fragte sie skeptisch. „Ich weiß nicht genau, aber der Notenschlüssel sieht einfach besser aus, wenn er nicht am Ende der Zeile auf dem Kopf steht“, lächelte Wuschel. „Interessant“, sagte die, die eine dicke Warze auf dem Hintern hatte, „jetzt kann ich es lesen.“ „Mädchen, seid ihr bereit?“, fragte Quaki. „Kann losgehen“, brüllte die Dicke ungeduldig. Und dann spielten sie, laut, nicht sehr schön, aber viel besser. „Darauf kann man aufbauen“, sagte Quaki zufrieden. „Aber nur bis heute Abend“, meinte Wuschel, „dann sammeln wir die Geigen wieder ein.“ Grummelnd fügten sich die Frösche in ihr Schicksal.

Wuschel und Hüpf blieben bis Samstag im Eichhörnchennest zusammen und gründeten dort vorübergehend eine WG. Schließlich war den Fröschen einfacher beizukommen als den Gespenstern. Vielleicht, so hoffte der Kobold, würden Spuki und Gruseli nach dem Wasserkonzert ihre musikalische Karriere an den Nagel hängen. Das Wasserkonzert wurde ein Riesenerfolg. Die Vögel zwitscherten, die Frösche fiedelten und die Gespenster? Ja, was war eigentlich mit denen? Sie traten nicht auf. Als Wuschel seine Hütte erreichte, sah er warum. Die Hütte lag in Trümmern und darunter heulten die beiden und konnten sich nicht befreien. Aber für einen Kobold wie Wuschel war das kein Problem. Er wackelte mit den Ohren, murmelte ein paar beschwörende Formeln und die Hütte stand wieder da. Als die Gespenster aber zu den Instrumenten greifen wollten, sagte er: „Lasst es sein, eure Karriere lag schon mal in Trümmern.“