Das Kostümfest

"Puh würdest du mir bitte in mein Schneemannkostüm hinein helfen?", fragte Zwitschi und hopste ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. "Warte mal, mein Blumenkranz sitzt noch nicht richtig und mein rechter Flügel ist gerade wieder abgefallen", sagte der Zwerg. Ein Windstoß kam durchs offene Fenster. "Warte, bleib hier, du kannst doch nicht ...", rief der Zwerg und jagte dem Flügel quer durch die Küche nach. "Du als Blumenelfe!", gluckste Zwitschi, "Was ist daran so komisch?", fragte Puh, der den Flügel inzwischen erfolgreich an seinem Kostüm befestigt hatte. "Ich finde jedenfalls, du solltest lieber als Wichtel gehen?", schlug der Vogel vor. "Was soll denn das für eine Verkleidung sein? Wichtel bin ich doch schon." "Ich dachte an einen, dem nicht jeder zweite Zaubertrick misslingt." "Du solltest froh darüber sein. Wenn mir alles gelungen wäre, was ich mir erzaubern wollte, könntest du dir inzwischen ein Nest auf dem Mond bauen", brummte Puh und betrachtete sich wohlwollend im Spiegel. "Perfekt", lobte er sein Erscheinungsbild. "Na, ja ich ..." "Dich hat keiner gefragt! Schlüpf in dein Kostüm und dann mach ich mich an deinen Reißverschluss." Puh legte Zwitschi den weißen Mantel um und zog am Reißverschluss. Der klemmte und ächzte "Zwitschi, halt die Luft an, ich krieg das Kostüm nicht zu", sagte Puh. "Mach' ich doch schon", jammerte der Vogel. "Du hättest eben nicht so viel futtern sollen." "Ist das etwa meine Schuld, wenn du dieses Kostüm in Vogelkindergröße hergehext hast." "Gib dir Mühe, noch mal kräftig Luft anhalten und dann haben wir's gleich." Zwitschi wurde rot. Endlich hatte es Puh geschafft. Mit einem Taschentuch tupfte er sich den Schweiß von der Stirn. "So das wär's", sagte der Zwerg zufrieden. "Und wie komm' ich da wieder raus?", fragte der Vogel missmutig. "Spätestens, wenn du was futterst, platzt die Pelle von dir ab", lachte der Wichtel. Zwitschi strafte ihn mit Ignoranz und hüpfte in den Garten. Seine Flügel konnte er heute nicht gebrauchen, Schneemänner flogen nun einmal nicht.

"Verflixt und zugefedert", schimpfte es unterm Kastanienbaum, "ich wollte doch ein Erdbeer-Eis sein! Wieso um alles in der Welt hat mir Puh eine zitronengelbe Eishaube gehext." "Das weiß ich nun wirklich nicht", sagte Wuschel, der kleine Kobold und betrachtete den Kauz interessiert. "Mir ist allerdings unklar, weshalb du dich beschwerst Zitrone ist doch auch nicht schlecht." Der Kauz sah noch immer unglücklich drein. "Das finde ich auch", mischte sich Zwitschi ein, "du siehst wirklich zum Anbeißen aus." Willy steckte in einem Umhang, der wie eine Eiswaffel aussah und trug eine zitronengelbe Haube. "Ach du lieber Himmel", fiel Wuschel ein, "ich hab mein Eichhörnchenkostüm daheim vergessen." "Puh hat noch einen Gespensterumhang auf dem Dachboden", fiel Zwitschi ein. "Bloß nicht", seufzte Wuschel, "Mir gehen meine beiden Hausgeister schon genug auf den Geist." "Dann weiß ich auch nicht", sagte Zwitschi ratlos. "Ich frag' am besten Puh, ob er mir ein Kostüm hext", beschloss Wuschel. "Wenn du auch so 'ne Wurstpelle willst, mit der deine Pölsterchen so unvorteilhaft hervorgehoben werden", meinte Zwitschi. "Welche Pölsterchen?", fragte Wuschel. "Zwitschi hat mal wieder von sich auf andere geschlossen", lachte Willy. Der kleine Vogel trippelte beleidigt zu einer großen Pfütze. Er betrachtete sich eingehend und sagte: "Hübscher kleiner Vogel, du bist ein hübscher kleiner Vogel." Das tat gut. Willy gesellte sich zu ihm, beschaute sich ebenfalls und stellte fest: "Hübscher kleiner Kauz, ja, du bist ein hübscher kleiner Kauz." Zwitschi zerstörte mit seinen Füßen Willys Spiegelbild und meinte: "Siehst ganz schön verschwommen aus."

Wuschel und Puh stürmten aus dem Zwergenhaus. "Noch 'ne Elfe?", fragte Zwitschi, als er den Kobold betrachtete, "wie originell!" "Wo steckt denn eigentlich Pünktchen, das wollte doch als Bräutigam gehen?", fragte Puh und drehte einen Zylinder in den Händen. "er wird doch seine Braut nicht sitzen lassen?", überlegte Wuschel, "ich hab' Punktinchen mit einem Schleier geschmückt." "Kalte Füße vor der Hochzeit, was!", lachte Willy. "Pünktchen!", rief Wuschel und pfiff auf seinen Fingern. Da kam das Reh schmatzend und kauend herbeigetrabt. Eine weiße Nelke hing aus seinem Maul. "Jetzt hat der doch den Brautstrauß gefressen", stöhnte Puh. Pünktchen machte auch noch der letzten Nelke ein Ende, dann senkte es den Kopf und der Zwerg platzierte den Zylinder darauf. "Auf zur Trauung!", freute sich Zwitschi.

Auf der Waldwiese hatten sich schon viele Zauberwäldler versammelt. Hüpf, das rotbraune Eichhörnchen, war als Tannenzapfen verkleidet, der Igel Stachelchen als Lehrer mit Hornbrille und Rohrstock, Fuchs Listig als Wassernixe und Agathe, die kluge Eule, als Wollknäuel. "Mein Werk", lobte sich Wuschel, als er Puhs erstaunten Blick sah. "Da hätt' ich wohl als Stricknadel kommen sollen", lachte der Zwerg. Die Hasenkinder waren als Marienkäfer verkleidet. "Jetzt können wir sie auch an den Flügeln ziehen, wenn wir sie auseinander sortieren müssen", freute sich Willy und nahm einen Pfifferling, den Listig überm Feuer röstete. Die Krähe Gundula kam herbeigeflogen. Sie hatte einen Kranz gelber Blütenblätter um den Hals. "Guten Abend, liebe Frau Sonnenblume", begrüßte sie Hüpf. "Wollen wir ein Tänzchen wagen Herr Tannenzapfen", fragte die Krähe. "Gern", sagte das Eichhörnchen und die beiden tanzten zur Musik des Froschorchesters. Auch die beiden Rehe tanzten ihren Brauttanz und die beiden Elfen ließen sich auch nicht lange bitten. Nur Zwitschi hatte Schwierigkeiten. Sein Kostüm kniff überall und so hielt er sich von der Tanzfläche fern.

"Die hat mein Kostüm geklaut", erklang ein entsetztes Gezeter, das gar nicht zur allgemeinen Fröhlichkeit passte. Guri Stürzte sich auf Gundula. Am liebsten hätte die Taube der Krähe jedes Blütenblatt einzeln ausgerissen, denn auch Guri hatte sich als Sonnenblume verkleiden lassen. "Oh, ist meine Schuld, ich hätte wissen müssen, dass zwei Damen nie das gleiche Kleid tragen wollen", entschuldigte sich Wuschel. Er wackelte mit den Ohren, ließ blaue Blasen daraus aufsteigen, pfiff dreimal auf den Fingern und schon war Guri eine hübsche Schwertlilie. "Das geht nicht", keifte Guru, der Täuberich, "ich bin die Schwertlilie. Und zwar ich ganz allein! Du hast es versprochen, Wuschel." "Toll, jetzt werden auch die Männchen zickig", stöhnte der Kobold. Diesmal machte er rote Blasen und pfiff fünfmal. Guri wurde mit zitronengelben Rosenblättern bekränzt. "Soll die etwa besser aussehen als ich", beschwerte sich nun Gundula. "Macht sie doch gar nicht", beschwichtigte Wuschel, "sie hat nicht so ein schönes schwarzes Gefieder." Gerade wollte Guri ihrem Unmut Luft machen. Da trafen die Maulwürfe ein. Sie hatten sich als Gemüse verkleidet. Mutter Scharri war eine Möhre, Vater Wühli eine Paprika, Grabi ein Kürbis und Schaufelchen eine Salatgurke. "Das sind die tollsten Kostüme", rief Agathe und keiner widersprach. Selbst die Vogeldamen hatten ihren Zickenkrieg beendet und knabberten einträchtig an einem Bratapfel, den Listig serviert hatte.

Ein Handwagen erreichte die Waldwiese, gezogen von zwei schwer atmenden Schnee-Eulen. Puh und Wuschel packten mit zu und auch die Hasenkinder fassten mit an. "Hier ist sie also, die Waldkräuterbowle", stöhnten die beiden Schnupfenelfen. "Ich will Barkeeper sein", sagte Schnuffi, einer der drei kleinen Hasen. "Ich auch!" "Ich auch!" Das waren seine Brüder Langöhrchen und Spitznäschen. "Dann schenkt ihr am Besten zu dritt die Bowle aus", schlug Puh vor. "Aber ich bin der Chef", krakeelte Schnuffi. "Nein ich!" "Nein ich!" Schon wieder seine Brüder. Konnte das wahr sein! Mussten die sich eigentlich immer streiten? "Ich bin der Chef", entschied Wuschel, "und ihr meine Angestellten. Und wenn das nicht klappt mit euch, dann werdet ihr gefeuert." "Alles klar Boss", sagten die Drei einträchtig und die Bar wurde eröffnet. Mutter Hase schlich sich an Wuschel heran und wollte wissen, wie er das geschafft hatte. "Ist ein altes Koboldgeheimnis", sagte der und wurde rot bis über beide Ohren, denn er konnte es sich eigentlich auch nicht erklären.

Als die Walduhr Mitternacht schlug, rief Puh: "Nun zu unserem Puddingwettessen. Wer stellt sich der Herausforderung?" Listig hatte den ganzen Abend für die anderen am Lagerfeuer gegrillt, und das freiwillig. Denn so hatte er sich reichlich bedienen können. Trotzdem meldete er sich. Zwitschi hatte ihn beobachtet und sah seine Siegchancen gestiegen. Er hatte sich bei der Nahrungsaufnahme zurückgehalten und ausschließlich auf den Pudding gewartet. Da sich kein anderer mehr fand, wurden vor Zwitschi und Listig zwei Schüsseln mit Pudding aufgebaut. Nach der Hälfte gab der Fuchs auf: "Ich kann nicht mehr, Zwitschi, du hast gewonnen." Doch der Vogel wollte auf Nummer sicher gehen und fraß unbeirrt weiter. Da knarrte es und die Naht an Zwitschis Hintern platzte. Der kleine Vogel schien das gar nicht zu bemerken. Da knarrte es wieder und die Naht an seinem Bauch platzte ebenfalls. Irritiert schaute Zwitschi an sich herunter.: "Oh, ich habe soeben mein Kostüm abgestreift", sagte er verlegen. "Abgestreift?", fragte Stachelchen, "es ist explodiert. Es hat deinen Futtermengen nichts mehr entgegenzusetzen gehabt." Doch als Zwitschi seine Medaille mit dem großen Puddingtopf in Gold erhielt, war er stolz: "Für diesen Preis haben sich all die Mühen gelohnt, die ich auf mich genommen ..." Sein Satz wurde von einem lauten Rülpser unterbrochen. "Zwitschi stimmt die Siegesfanfare an", lachte Hüpf und fraß ein paar geröstete Erdnüsse. Wuschel imitierte hinter dem Rücken des Eichhörnchens das Knarren einer Naht. Hüpf ließ vor Schreck eine zweite Ladung Nüsse fallen. Wuschel lachte und rief: "Reingefallen, reingefallen!" "Wie wäre es eigentlich mit einem Siegertanz?", fragte Zwitschi die Eule Agathe. "Aber gerne", sagte diese und legte mit dem kleinen blauen Vogel eine flotte Sohle auf die Waldwiese. Zwitschi fühlte sich befreit. Nichts saß mehr zu eng, nichts kniff, nichts schnitt in seine Federn. Übermütig wackelte er mit dem Hintern und hopste im Kreis herum. "Hallo Zitronen-Eis", tönte es von oben, "ich bin das Schoko-Eis, wollen wir beide in einem Tänzchen verschmelzen?" Paul hatte sich eingefunden. Willy war begeistert: "Noch 'ne Eistüte." Und Wuschel war erleichtert. Wenigstens bekamen sich die beiden Käuzchen nicht wegen Kostümgleichheit in die Federn.

Ein Lampionumzug beschloss um vier Uhr morgens das Kostümfest. Die Bewohner des Zwergengartens waren die Letzten, die zu Hause eintrudelten. "War das ein schönes Fest", freute sich Willy. "Find' ich auch", meinte Zwitschi, "endlich bin ich mal so richtig satt geworden. Übrigens Puh, wo stehen noch mal die Magentropfen?"