Ach du lieber Valentin

Puh kam, ein fröhliches Lied auf den Lippen, in die Zwergenküche. Was hatte er gut geschlafen. der gestrige Abend mit Wuschel war lang und gemütlich gewesen. Und bis auf die Tatsache, dass ihn sein Koboldfreund drei Mal beim Schach matt gesetzt hatte, konnte man ihn als gelungen bezeichnen. Im Kühlschrank mussten doch noch Schnittchen mit Eiersalat, Schinken und Schafskäse ... Der Wichtel hatte einen Blick auf den Abreißkalender geworfen. Entsetzt wich er zurück und presste eine Hand auf den Mund. Heiße Wellen aufsteigender Angst durchpflügten seinen Körper, der Schreck schoss ihm in alle Glieder. Die böse 13 leuchtete ihm entgegen und darunter stand unheilverkündend "Februar". "Neiiin", entfuhr es ihm und er wurde blass um die Nasenspitze. Zwitschi, der kleine blaue Vogel, der auf dem Küchentisch saß und konzentriert einen roten Filzstift über einen hellgrünen Briefumschlag führte, fuhr zusammen. "Was ist denn los Puh?", fragte er besorgt. "Was los ist!", brüllte Puh, "heute ist der 13. Februar! Das ist los und morgen folgt der schlimmste Tag des Jahres!" "Ach so, alles klar", winkte Zwitschi gelassen ab, "deine Vorfreude auf den Valentinstag steigt gerade wieder ins Unermessliche." Puh biss sich auf die Lippen. Eiersalat, Schinken und Käse, von wegen. Eine Kopfschmerztablette war das bessere Frühstück. "Baldriantee?", fragte Zwitschi mitleidig und legte den Stift zur Seite. Puh nickte stumm. Er war inzwischen an den Tisch getreten und betrachtete Zwitschis rotes Herz auf dem Briefumschlag. "Für meine Krähenfreundin Gundula", erklärte der kleine blaue Vogel, "ich will sie für morgen zu einem Picknick bei den drei kleinen Tannen einladen." Der Wichtel ließ sich seufzend auf einen Stuhl fallen und stützte seinen schwer gewordenen Kopf in beide Hände.

Was sollte er bloß machen? Mit einem Picknick im Winterwald würde er bei Luzie nicht punkten. Allerdings hatte er bisher bei Luzie mit keinem seiner Geschenke gepunktet. Sie bei ihm im Übrigen auch nicht. Aber er war ja Kavalier und wusste, was sich schickte. Deshalb hatte er den rosa Topflappen in Herzform, die roten Herzkerzen mit Vanilleduft und das Herzkissen mit Luzies Gesicht klaglos entgegengenommen. Wo waren diese Geschenke eigentlich jetzt? Ach ja, im Schrank, ganz hinten, in der finstersten Ecke. Und dort konnten sie auch bleiben, zumindest, bis Luzie ihn wieder einmal besuchte. Was würde morgen dazukommen? Vielleicht Socken mit roten Herzchen oder ein T-Shirt mit "I love Luzie"? Womit würde sie ihn in diesem Jahr quälen?

Aber das Schlimmste am Valentinstag war, dass Luzie nicht nur Geschenke verschenkte, sondern auch von ihm ein Geschenk erwartete. Vor drei Jahren hatte er es mit Pralinen probiert und war mitten in ihre Diät geplatzt. Vor zwei Jahren hatte er sie zum Tanzen ausführen wollen. Woher hätte er auch wissen sollen, dass sie sich am Abend zuvor den Fuß verstauchen musste. Und letztes Jahr? Da hatte er ihr einen Blumenstrauß geschenkt - Rosen - aber das rot so vollkommen aus der Mode war, das hatte er natürlich nicht bedacht. Zumindest war es laut Luzie aus der Mode, Wuschel dagegen hatte mit seinen roten Rosen für Kitty voll ins Schwarze getroffen.

Wer hatte eigentlich diesen Valentinstag erfunden, überlegte Puh und trank den von Zwitschi aufgebrühten Baldriantee. Die Blumenwichtel? Die Pralinenwichtel? Oder die Schrottwichtel, die sämtlichen Plunder in Herzform pressten, um ihn an verzweifelte Verliebte zu verscherbeln. Womit konnte Puh Luzie in diesem Jahr wieder einmal so richtig verärgern? Die rettende Idee kam ihm, als er an die vielen Schokoweihnachtsmänner dachte, die so sinnlos in seinem Vorratsschrank herumstanden. Er würde sie einschmelzen und ein Schokoladenherz gießen. Und darauf würde er "Luzie ich schenke dir mein Herz" schreiben mit weißer Schokolade. Was für eine tolle Idee! Sofort machte er sich ans Werk.

Eine Stunde später holte Puh ein fertig abgekühltes Vollmilchherz aus dem Kühlschrank. Sichtlich stolz betrachtete er es, löste es aus der Form und legte es auf eine Glasplatte. Die Schokolade zum Verzieren war auch schon geschmolzen. Er nahm einen zierlichen Pinsel und schrieb: "Ich schenke dir mein Herz". Das hatte wunderbar geklappt. Nun wollte er in geschwungener Schrift Luzie darüber schreiben. Da flog die Tür auf und Willy Kauz flatterte aufgeregt herein. Er hatte zwei kleine rosa Organza-Beutel im Schnabel. "Welcher von beiden würde dir besser gefallen, der mit pinkem Band und einer schönen dicken Nugatpraline oder der mit goldenem Band und einer leckeren Marzipanpraline?", fragte er aufgeregt und ließ seine kleinen Geschenke auf den Küchentisch fallen. "Nugat", brummelte Puh, "Wenn du mir schon unbedingt was schenken willst." "Hä, wer redet davon, dass ich dir was schenken...", Willy hielt inne und beäugte irritiert Puhs Valentinsherz. "Du schenkst mir dein Herz, also wenn ich das gewusst hätte, hätte ich noch ein drittes Geschenk besorgt", murmelte der Kauz verlegen. "Wie kommst du drauf, das ich dir mein Herz ...", Puh blieb die Spucke weg, "schenke", ergänzte er schwach, denn er hatte die Bescherung gerade selber entdeckt. Der Wichtel hatte tatsächlich statt Luzie "Willy" auf das Schokoladenherz gepinselt. Wütend schlug er das Herz in Stücke. Dann musste er die Schokolade eben noch einmal erhitzen. Weiße Schokolade zum Verzieren hatte er glücklicherweise noch im Haus.

Willy hatte sich mit seinen beiden Beuteln schon längst wieder aus dem Staub gemacht, während Puh erneut ein abgekühltes Schokoladenherz aus dem Kühlschrank holte. Mit äußerster Sorgfalt schrieb er nun "Luzie ich schenke dir mein Herz" darauf, stellte es erneut kühl und wartete ab. Dann nahm er es heraus und legte es auf Folie. Verpackung war alles. Vorsichtig schlug er es ein, suchte ein rotes Schleifenband und wollte gerade eine Schleife binden. Da stürzte Paul Kauz zur Tür rein. "Puh hilf mir, Willy schenkt Clarissa, dem süßesten aller Kauzenmädchen eine Nugatpraline, wie mir Zwitschi gerade geflüstert hat! Ich wollte ihr ja eine weiße Perle für ihren Schnabel schenken. aber was ist, wenn sie keinen Schmuck mag und deswegen mit Willy zum Valentinstanz geht?" Puh hatte vor lauter Schreck Luzies Herz in vier Teile zerbrochen. Wütend funkelte er Paul an und warf mit dem Geschenkband nach ihm. "Ich versteh schon! Wir reden weiter, wenn deine Laune sich gebessert hat", flötete Paul Kauz und zischte davon. Puh sah traurig auf sein Herz. Alle Mühe war umsonst und die weiße Schokolade war ihm inzwischen auch noch ausgegangen. Es hatte keinen Sinn, einen dritten Versuch zu starten.

Zwei Tage später saßen Willy, Zwitschi und Paul bei Nusskuchen und heißem Kakao im Zwergenhaus zusammen. "Na erzählt einmal, wie verlief denn euer Valentinstag", fragte Puh gespannt wie ein Flitzebogen und zog unauffällig seine Hosenbeine ein Stück nach unten. Seine Freunde mussten ja nicht unbedingt die roten Herzsocken sehen, die ihm Luzie gestern geschenkt hatte. Die Runde schwieg einvernehmlich. "Na komm schon Zwitschi, fang an und erzähl uns von deinem Valentinspicknick mit Gundula", sprach Puh den kleinen blauen Vogel direkt an. "Also schön, wenn es unbedingt sein muss", brummelte der missgestimmt, "ich hatte den Picknickkorb am Abend zuvor mit Käsewürfeln und Trauben bestückt und ihn zu den drei kleinen Tannen gebracht. Woher sollte ich wissen, dass in der Nacht der Schnee von den Bäumen rutscht und ihn unter sich begräbt. Den ganzen Mittag haben Gundula und ich versucht im Schnee nach unserem Valentinspicknick zu graben. Ihr Schnabel wurde kalt, meiner übrigens auch. Das hat sie aber nicht interessiert. Ihre Federn wurden Kalt, meine übrigens auch. Auch das hat sie nicht interessiert. Ihre Füße wurden kalt, meine, na ja ihr wisst schon. Und dann hat sie die ganze Zeit über gezetert, Picknick mitten im Winterwald, das ist etwa genauso pfiffig wie eine Schneeballschlacht im Sommer. Kurz und gut, wir haben uns mächtig gezankt, dann ist sie abgeflattert und ich saß da, allein und verlassen. Dabei ist zu allem Überfluss auch noch mein Hintern kalt geworden, aber lasst mich raten, das interessiert euch genau so wenig, wie es Gundula interessiert hätte. Na jedenfalls sind dann noch die Hasenkinder vorbeigekommen und haben wenigstens den verflixten Picknickkorb wieder ausgebuddelt."

Puh schmunzelte still vor sich hin, Willy und Paul schwiegen weiter eisern. "Also dann erzähl du doch mal lieber Willy, was hat das reizende Kauzenmädchen Clarissa zu deiner Praline gesagt?" "Praline? Nicht dass ich wüsste, wollte ich ihr tatsächlich eine Praline schenken", versuchte Willy sich dumm zu stellen. "Jetzt hör aber auf und erzähl endlich!", rief Zwitschi. Schließlich hatte er ja auch sein Valentinserlebnis im Schnee in allen Einzelheiten geschildert. "Na gut, wenn ihr darauf besteht! Clarissa hätte sich sicher über die Praline gefreut. Aber sie hat sie nicht bekommen. Denn vor Clarissa musste ich erst noch Hilde, ihre Mutter überwinden. Ich habe es mit der Marzipanpraline versucht, in der Hoffnung ich könnte sie damit milde stimmen. Sie hat sie auch prompt verputzt. Aber dann roch sie das Nugat und fiel förmlich über mich her. Ich muss dazu sagen Hilde wiegt das Doppelte von mir. Ich hatte alle Flügel voll zu tun, mich ihrer zu erwehren. Schließlich gelang mir nach kurzem, aber hartem Kampf die Flucht." Puh lachte amüsiert, denn er konnte sich Willys Kampf mit Kauzenmama Hilde bildlich vorstellen. "Und wie ist dein Geschenk bei Clarissa angekommen?", fragte der Wichtel Paul Kauz, der so still war, wie noch nie in seinem Leben.

"Perle, und noch dazu eine weiße, na ja, das war wohl eine ganz dumme Idee. Die Perle gibt es nicht mehr, ich habe sie vor Aufregung unterwegs im Schnee verloren. Und dann versuch mal einer eine weiße Perle im weißen Schnee zu finden. Allerdings, wenn ich es bedenke war das gar nicht so schlecht, denn so blieb mir der Ringkampf mit Mama Kauz wohl erspart, nicht wahr Willy?", meinte Paul und zwinkerte verschmitzt. "Keine Ahnung, denn nach Nugat hat die Perle ja wohl eher nicht gerochen", lachte Willy. "Nun haben wir drei von unserem Valentinstag erzählt, aber einer fehlt noch in der Runde. Wie lief es bei dir mit deinem gebrochenem Herzen?", piepste Zwitschi vergnügt. Erwartungsvoll sahen alle auf Puh. Welche Schimpfkanonade hatte Luzie wohl dieses Jahr wieder abgelassen?

"Dank Willy und Paul habe ich ja nun nicht das Geschenk für Luzie gehabt, das ich mir vorgestellt hatte. Mit einem dumpfen Grummeln in der Magengegend bin ich zu Luzie in den Wichtelwald gereist, habe bei ihr geläutet und ihr das Herz überreicht. Oder besser gesagt die vier Teile davon, natürlich hübsch in Folie verpackt. Dann ist sie mir um den Hals gefallen und hat mir ins Ohr geraunt, dass sie noch nie so ein besonders schönes Geschenk bekommen hat. Und zwar von niemandem zu keinem Anlass. Ich glaube nächstes Jahr schenke ich ihr eine Kaffeetasse mit meinem Bild drauf, aber mit abgebrochenem Henkel." Willy, Paul und Zwitschi schüttelten einvernehmlich die Köpfe. Versteh einer diese Wichtel.